E r sei bereit, so unpopulär zu sein, wie Margaret Thatcher , versicherte David Cameron vor seinem Amtsantritt im Mai 2010. Er hatte wohl keine Ahnung, wie schwierig das Regieren in Wirklichkeit sein würde. Am Sonntag jährt sich zum zweiten Mal die britische Schicksalswahl, die die 13-jährige „New Labour“-Ära beendet und dem Land die erste Koalitionsregierung seit dem Krieg beschert hat. Cameron, der frühere Hoffnungsträger der Konservativen, hat jedoch nichts zu feiern. Sie vergleichen ihn jetzt nicht mit Thatcher, sondern mit Hulk – dem rasenden grünen Monster-Mutanten aus dem Comic. Als Vater von drei Kindern im (Vor-)Schulalter wird Cameron vielleicht über diese Parallele lächeln. Dagegen dürften andere Vorwürfe wehtun: Ein „Dilettant“ sei der Premier, urteilt die Financial Times. Und der „Guardian“ verhöhnt den 45-jährigen Politiker als ein „eingekesseltes Hermelin“, das in blinder Wut um sich beißt. Es ist eine erstaunliche Wende. Nach der Wahl wurde Cameron in London als „bester Allround-Premier der Moderne“ gefeiert. Die Analysten fielen auf die Knie vor seiner liberal-konservativen Koalition. Noch vor einem Jahr lobte die BBC den Premier für die „atemberaubende Geschwindigkeit seiner Reformen und seine Ambitionen“. Was ist geschehen? Erstens hat sich Cameron eine Reihe von folgenschweren Fehlern geleistet, die die Kompetenz seiner Regierung infrage stellen. Zweitens ist der Vertrauensvorschuss bei seinen Landsleuten aufgebraucht, während sein Charisma zunehmend verblasst. Drittens ist das Unvermeidliche eingetreten: Ein Krisenmanager, der keine guten Nachrichten hat und ständig neue Opfer fordert, musste unpopulär werden.
Camerons Tories sind in den Umfragen auf einen Tiefpunkt von 33 Prozent gefallen, während Labour mit einem achtprozentigen Vorsprung das beste Ergebnis seit 1993 zeigt. Es ist mehr als nur eine vorübergehende Verstimmung der Wähler, die sich für unerfüllte Erwartungen rächen: Camerons Partei dürfte bei den gestrigen Lokalwahlen auf der Insel Hunderte Sitze in den Stadträten verloren haben. Bleibt Großbritannien weiter in der Rezession und fällt dem Premier kein neuer Grund ein, warum sich die harte Sparpolitik weiter lohnt, werden sich die Konservativen ab 2015 auf die Opposition einrichten müssen. Berichten zufolge will der alarmierte Regierungschef versuchen, mit einem neuen Team die politische Initiative zurückzugewinnen.
Am 9. Mai stellt die Königin bei der „Queen's Speech“ im Parlament das neue Regierungsprogramm vor. Offenbar will Cameron die Gelegenheit nutzen und eine Kabinettsumbildung bekannt geben. Dabei soll jedoch der wegen des Murdoch-Skandals kritisierte Kulturminister Jeremy Hunt seinen Job behalten, was seinem Chef sicher neue Vorwürfe einbringen wird.