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Cholesterin

„Das Ei ist eine fantastische Gabe der Natur“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Der Internist Prof. Günther J. Wiedemann über Cholesterin, Sexualhormone und den Taillenumfang
Veröffentlicht:18.04.2014, 10:00

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Ist das Ei zum Frühstück erlaubt? Ja, sagt Prof. Günther J. Wiedemann. Der Mediziner plädiert im Interview mit Ingrid Augustin für einen maßvollen Genuss des tierischen Produktes – weil es unser Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und zugleich Bausteine für die Produktion von Sexualhormonen liefert.

Wie gesund ist ein Ei?

Das Ei ist per se gesund. Es versorgt uns mit Lebensnotwendigem, wie Energie, Eiweiß und Fett – und das auch noch in einer optimalen Kombination. So gesehen ist das Ei sogar ein echtes Wunderpaket, eine fantastische Gabe der Natur. Hinzu kommt, dass das Fett im Ei, wie andere Fette auch, unser Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und uns glücklich macht.

Dann wäre da noch das Cholesterin, das sehr wichtig ist bei der Produktion der Sexualhormone, sprich Testosteron bei Männern und Östrogen bei Frauen. Die Forschung hat herausgefunden, dass die Senkung des Cholesterins im Körper zu einer Verminderung der Sexualhormone und damit zu Depressionen führt. Dieses Phänomen kennt man gut bei älteren Herren, deren Cholesterinwerte wegen einer Erkrankung stark abgesenkt wurden.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Cholesterin im Ei und dem Cholesterinwert im Körper?

Den gibt es – aber es ist nicht so, dass mein Cholesterinwert sich notwendigerweise erhöht, weil ich viele Eier gegessen habe. Entscheidend ist nämlich, ob das Cholesterin im Ei als LDL- oder als HDL-Cholesterin verwertet wird.

Was ist der Unterschied?

LDL und HDL sind Fett-Eiweiß-Verbindungen, die das Cholesterin binden und durch den Blutkreislauf transportieren. Wenn nun zu viel vom LDL-Cholesterin, auch das „böse Cholesterin“ genannt, im Blut ist, dann kann sich das Cholesterin an den Gefäßwänden ablagern. Das „gute“ HDL-Cholesterin sorgt dafür, dass überschüssiges Cholesterin zur Leber transportiert und dort abgebaut wird.

Wie entscheidet sich, ob das Ei als gutes oder als böses Cholesterin verwertet wird?

Je aktiver man ist, je gesünder man lebt und sich ernährt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Cholesterin des Eies als HDL-Cholesterin durch den Körper transportiert wird. Wer sich jeden Tag bewegt, nicht raucht, seinem Gehirn regelmäßig etwas zu tun gibt, sich ausgewogen ernährt und sexuell aktiv ist, der muss sich bei einem Ei am Tag keine Gedanken über seinen Cholesterinspiegel machen – wenn er nicht an Diabetes leidet, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatte.

Was, wenn doch?

Dann ist ein ausgewogener Ernährungsplan wichtig. Der aber sollte nicht nur Verzicht predigen. Hin und wieder einmal ein Ei zum Frühstück oder auch ein Stück Kuchen zum Kaffee muss dabei auch ohne schlechtes Gewissen möglich sein. Denn solch ein Genuss erhöht die Lebensfreude und motiviert zum Durchhalten solcher Pläne.

Wesentlich effektiver ist es in meinen Augen, wenn man vor allem einen kritischen Blick auf die oft fehlende Bewegung wirft. Es bringt schon ungemein viel, wenn man mehr zu Fuß geht oder auch mit dem Rad fährt. Wer seinen Heimtrainer daheim kaum benutzt, sollte diesen vor dem Fernseher stellen. Warum nicht während der Lieblingssendung ein wenig radeln? Körperliche Betätigung ist nicht nur gesund, sondern macht auch Spaß – und jeder muss für sich herausfinden, was dafür nötig ist.

Was sollte man tun, wenn man nicht erkrankt ist, aber einen erhöhten Cholesterinwert hat und noch ein paar Kilos zu viel?

Ich würde mir keine Gedanken machen, wenn ich zwei, drei Kilos mehr auf die Waage bringe - mittlerweile weiß man, dass solche Menschen gesünder sind als die ganz dünnen. Und was den erhöhten Cholesterinspiegel angeht, nun ja: Ich zum Beispiel kenne meinen Cholesterinspiegel nicht, muss ich aber auch nicht. Denn ich weiß, wie groß mein Taillenumfang ist – und der sagt viel mehr darüber aus, wie gesund ich bin. Denn vor allem der „Bierbauch“ birgt ein hohes gesundheitliches Risiko. So gilt bei Männern ein Taillenumfang ab 102 Zentimetern als erhöhtes Gesundheitsrisiko, bei Frauen wird es ab 88 Zentimetern kritisch. Gemessen wird am Ende des Rippenbogens, den man leicht ertasten kann.