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Hochachtung

Zur Person: Timothy Garton Ash, Karlspreis-Träger

Politik / Lesedauer: 2 min

Zur Person: Timothy Garton Ash, Karlspreis-Träger
Veröffentlicht:25.05.2017, 20:15

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Dass Timothy Garton Ash am Donnerstag aus den Händen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Karlspreis erhalten hat, spiegelt neben der Hochachtung für den Oxforder Publizisten und Hochschullehrer das Wunschdenken der Verleiher wider. Ausdrücklich ehren die Aachener TGA, wie Garton Ash Uni-intern abgekürzt wird, auch als „führenden Pro-Europäer“ eines Landes, das im vergangenen Jahr der Europäischen Union den Rücken gekehrt hat.

Der Historiker empfindet den Brexit als „größte Niederlage meines politischen Lebens“. Neben der Absage an die Brüsseler Institutionen, denen auch TGA immer wieder kritisch gegenüberstand, symbolisiert der Brexit Großbritanniens Abkehr von einer Politik, die auf die Eingliederung einst kommunistischer Staaten in die westliche Wertegemeinschaft abzielte.

Genau das war und ist Garton Ashs Thema seit Ende der 1970er-Jahre, als der Doktorand in West-Berlin die DDR für sich entdeckte. TGA lebte eine Zeitlang in Ost-Berlin, später auch in Polen, von wo seine Frau stammt. Die friedlichen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa machten ihn berühmt, sein Buch „Ein Jahrhundert wird abgewählt“ wurde ebenso zum Bestseller wie „Die Akte Romeo“, eine superbe Reflektion über seine Stasi-Akte. Ähnlicher Erfolg blieb jüngeren Büchern, zuletzt einem Debattenanstoß zur Redefreiheit in Zeiten des Internets, verwehrt.

Der 61-Jährige tritt gern very british auf, etwa in rosa Hemd zum braunen Anzug, und verkörpert die Fähigkeit der Briten, kühl und differenziert über die Welt nachzudenken, die Ergebnisse seiner Analyse aber in konkreter, den Menschen naher Sprache zu präsentieren. Wer den Professor am Oxforder St. Antony’s College aus der Nähe erlebt, trifft auf einen leidenschaftlich an anderen Ländern, zuvörderst Deutschland, interessierten Menschen.

Sebastian Borger