StartseitePolitikVon der Pflegestufe zum Pflegegrad

Pflegegrad

Von der Pflegestufe zum Pflegegrad

Politik / Lesedauer: 3 min

Reform tritt in Kraft – Vom 1. Januar an sollen Demenzkranke höhere Leistungen erhalten
Veröffentlicht:29.12.2016, 20:57

Artikel teilen:

Vom 1. Januar an bekommen Demenzkranke und Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen schneller Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Nicht nur die Betroffenen sollen damit besser unterstützt werden, sondern auch Angehörige, die sich zu Hause beispielsweise um ihre Eltern kümmern.

Im Kern geht es um ein neues Verständnis der Pflegebedürftigkeit. Von 2017 an steht der Grad der Selbstständigkeit im Vordergrund und nicht mehr der Zeitaufwand für die Hilfen. Die umstrittene Minutenpflege soll damit abgeschafft werden. Als pflegebedürftig gelten Menschen, die körperliche oder psychische Belastungen nicht allein bewältigen können und auf Hilfe angewiesen sind. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer bestehen, mindestens aber für sechs Monate. „Wir haben die Pflegeleistungen spürbar ausgeweitet und dafür gesorgt, dass sie besser auf den persönlichen Bedarf zugeschnitten sind“, teilte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit.

Bisher galten drei Pflegestufen. Diese werden nun durch fünf Pflegegrade ersetzt. Die Medizinischen Dienste bewerten Mobilität, Verhaltensweisen oder kommunikative und kognitive Fähigkeiten. Hinzu kommen Einstufungen über die Selbstversorgung, der selbstständige Umgang bei krankheitsbedingten Anforderungen und wie der Alltag gestaltet wird. Wichtige Kriterien sind beispielsweise: Kann der Betroffene Treppensteigen? Braucht er Hilfe bei der Medikamenteneinnahme? Kann er oder sie sich alleine anziehen, waschen, essen? Leidet der Betroffene an Wahnvorstellungen, ist aggressiv oder kann keine sozialen Kontakte mehr pflegen? Für jeden Aspekt werden Punkte vergeben.

Leistungen ab 12,5 Punkten

Die Einstufung reicht von Pflegegrad eins bis Pflegegrad fünf. Für den ersten Grad sind mindestens 12,5Punkte nötig. Diese Einstufung bekommen Menschen mit geringen Einschränkungen. So kann auch Betroffenen, die an einer leichten Demenz leiden und Probleme im Alltag haben, geholfen werden. Für die höchste Leistungsstufe sind mindestens 90 Punkte nötig. Dazu zählen Menschen, die größtenteils auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Versicherte mit körperlichen Einschränkungen werden in den nächst höheren Pflegegrad eingestuft. Wer bisher in Pflegestufe eins war, wird nun mit dem Pflegegrad zwei geführt. Liegt eine Beeinträchtigung der Alltagskompetenz vor, wird der Betroffene in den übernächsten Pflegegrad eingestuft. Je nachdem, ob die Menschen zu Hause wohnen, in Tageskliniken betreut werden oder im Pflegeheim leben, werden die finanziellen Hilfen berechnet. Für den Pflegegrad zwei gibt es beispielsweise rund 690 Euro für ambulante Sachleistungen, in Pflegegrad fünf rund 2000 Euro.

Der Medizinische Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS) geht davon aus, dass durch die Reform die Zahl der Pflegebedürftigen auf rund drei Millionen Menschen steigt. Bisher schwanken die Zahlen zwischen 2,7 Millionen und 2,8 Millionen Betroffenen. Der Mehrbedarf für die zusätzlichen Leistungen wird über höhere Beiträge zur Pflegeversicherung abgedeckt. Diese steigt 2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens. Laut aktuellem Pflegebericht zahlte die Pflegeversicherung 2015 etwa 26,6 Milliarden Euro aus.

„20 Jahre darauf gewartet“

Patientenvertreter begrüßen grundsätzlich die Reform. „Die Betroffenen haben 20 Jahre darauf gewartet, dass die Hilfe für Demenzkranke ein Teil der Pflegeversicherung wird“, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Allerdings kritisiert Brysch, dass durch eine geringere Gewichtung körperlicher Einschränkungen möglicherweise einzelne Antragsteller keinen Pflegegrad erhalten. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen teilt diese Befürchtung nicht.

Wer Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch nehmen möchte, muss einen Antrag bei seiner Pflegekasse stellen. Die Kasse beauftragt den Medizinischen Dienst, der den Versicherten zu Hause oder im Pflegeheim besucht und ein Gutachten erstellt. Wer bereits Leistungen bekommt, braucht keinen neuen Antrag zu stellen. Die Pflegekassen stellen die Bescheide über die neue Einstufung aus.