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Verständnis für Kritiker in der eigenen Partei

Politik / Lesedauer: 5 min

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ zu den politischen Verwerfungen nach den Koalitionsverhandlungen
Veröffentlicht:09.02.2018, 20:37

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Volker Kauder , Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, verteidigt die Entscheidung, das Finanzministerium ian die SPD abgegeben zu haben.

Herr Kauder, in der SPD geht es drunter und drüber. SPD-Chef

Zu den Entwicklungen in der SPD äußere ich mich auch heute nicht. Ich hoffe, dass die Sozialdemokraten jetzt zur Ruhe kommen, damit letztlich eine stabile Regierung gebildet werden kann. Die Bürger wollen, dass das Land nach den Monaten der Koalitionssuche wieder regiert wird und dass notwendige Projekte vorangetrieben werden können. Das fängt beim schnellen Internet für alle an, geht über die Stärkung von Polizei und Justiz weiter und setzt sich in der Europapolitik fort. Wir müssen jetzt wieder handeln.

Was passiert, wenn die SPD-Basis am Ende dem Koalitionsvertrag nicht zustimmt?

Die SPD-Spitze wirbt mit guten Gründen für diesen Vertrag. Man wird sehen, wie das Votum ausgeht. Ich bin aber zuversichtlich, da ja auch die SPD einige Punkte machen konnte. Vielleicht trägt die Entscheidung von Martin Schulz auch dazu bei, dass das Ergebnis für den Koalitionsvertrag bei deren Mitgliederentscheid klarer ausfällt.

Unruhe auch in der

Es ist schmerzhaft, dass die Union nicht weiter den Finanzminister stellen kann. Ich kann die Enttäuschung verstehen. In den Gesprächen haben wir lange auch um dieses Ministerium gerungen. Die SPD hat aber an keiner Stelle nachgegeben. Wenn die Koalitionsverhandlungen und die Regierungsbildung am Ende an der Frage von Posten gescheitert wären, hätten uns die Bürger eher für verrückt erklärt. Nach diesen ewigen Verhandlungen seit September! Das hätte kaum ein Bürger verstanden! Das hätte auch dem Ansehen der Union massiv geschadet, weil gerade wir in den Augen der Menschen die Garanten von Stabilität und Verlässlichkeit sind. Zu dieser Verantwortung für das Land haben wir als Unionsunterhändler in der Nacht zum Mittwoch gestanden – auch wenn der Preis in dieser einen Frage ohne Zweifel sehr hoch war.

Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz spricht von einer Demütigung, die nicht hingenommen werden dürfe. Die CDU sei dabei, sich aufzugeben. Von Kanzlerinnendämmerung ist die Rede. Droht jetzt ein Aufstand gegen Parteichefin Angela Merkel?

Die Union hat wiederholt in Koalitionen nicht den Finanzminister gestellt. Zuletzt in den Jahren von 2005 bis 2009. Da war Peer Steinbrück Finanzminister. Die SPD hat davon übrigens nicht profitiert, wie bei den folgenden Wahlen zu sehen war. Wir sollten das gesamte Ergebnis der Koalitionsverhandlungen betrachten. Angela Merkel wird als Kanzlerin die Bundesregierung führen können. Die CDU hat inhaltlich bedeutende Erfolge erzielen können. Ja, wir können zu Recht sagen: Der Koalitionsvertrag trägt unsere Handschrift.

Hauptsache Angela Merkel bleibt Kanzlerin?

Fast ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl sieht es danach aus, dass wir eine stabile Regierung bilden können. In Europa ist das überall positiv aufgenommen worden, weil der Stillstand bei uns auch Europa langsam geschadet hätte. Nun kann vor allem unser Land modernisiert und für mehr Zusammenhalt gesorgt werden, falls sich die SPD zu der Koalition letztlich bekennt.

Der SPD das Finanzministerium zu überlassen, sei so, als lasse man die Panzerknacker den Geldspeicher von Dagobert Duck überwachen, heißt es in Ihrer Partei. Drohen jetzt das Ende der schwarzen Null und des Spardiktats in Europa?

Der Koalitionsvertrag ist ein Dokument der finanzpolitischen Stabilität, der die gesamte Bundesregierung und damit auch den neuen Finanzminister bindet. In dem Text steht klipp und klar: keine neuen Schulden im Bundeshaushalt! Keine Schuldenunion in Europa! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird darüber wachen, dass dies so eingehalten wird. Alleingänge eines SPD-Finanzministers kann es da nicht geben. Haushalt und Maßnahmen zur Eurostabilisierung müssen alle durch den Bundestag! Auch in der Bundesregierung muss sich der Finanzminister abstimmen, und die Richtlinien der Politik bestimmt immer noch die Bundeskanzlerin. Das weiß aber auch die SPD. Die ist ja auch auf anderen Gebieten daran interessiert, dass der Koalitionsvertrag umgesetzt wird.

Aber bei den Koalitionsverhandlungen hat sich am Ende die SPD durchgesetzt. Warum sollte das künftig in einer Regierung anders sein?

Die letzte Nacht in den Koalitionsverhandlungen war sehr schwierig. Die Art und Weise, wie die SPD ihre Forderungen gestellt und verhandelt hat, war eine Herausforderung. Wie gesagt: Die SPD-Unterhändler haben klipp und klar erklärt, dass die Verhandlungen scheitern werden, wenn sie nicht das Finanzministerium bekommen. Ein Scheitern wäre eine Katastrophe gewesen, für die Parteien am Verhandlungstisch und vor allem für das Land.

Da ist sogar von Erpressung die Rede. Ist das eine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit?

Es ist nach Koalitionsgesprächen immer so, dass kurzzeitig die Verhandlungen etwas nachwirken. Aber jetzt muss es, vorausgesetzt, der Mitgliederentscheid in der SPD geht positiv aus, an die Arbeit gehen. Wir können uns nicht noch länger mit uns selbst beschäftigen. Die Parteien haben in einer Gesellschaft in erster Linie eine dienende Funktion, auch wenn es mal interne Dinge zu klären gibt.

An welcher Stelle wird im Koalitionsvertrag die Handschrift der CDU sichtbar?

An vielen Stellen. Die weitgehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Stärkung der Familien sind wichtige Punkte. Auch in den Punkten Migration und Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge haben wir unsere Position durchgesetzt. Das ist ein klarer Erfolg für uns, für das Land und die Kommunen. Wir werden Milliardenprogramme für die Digitalisierung und für die Bildung auflegen. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir unser Land auf moderne Zeiten vorbereiten werden.

Bei der SPD dürfen die Mitglieder über den Vertrag entscheiden. Warum nicht auch bei der CDU?

Bei uns entscheidet der Bundesparteitag, der ja die Mitglieder repräsentiert. Das ist eine gute Lösung und der richtige Weg. Allerdings werden wir in den nächsten Wochen auch verstärkt mit den Mitgliedern diskutieren müssen.