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Terrordebatte

Terrordebatte statt Tirol

Politik / Lesedauer: 4 min

Angela Merkel unterbricht ihren Urlaub und stellt sich der Presse
Veröffentlicht:28.07.2016, 19:54

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Erschöpft sei sie nicht, aber sie fühle sich „nicht unterausgelastet“, sagt Angela Merkel ( CDU ) bei ihrem Auftritt in der Bundespressekonferenz. Doch Erholung gibt es für sie vorerst nicht. Die Kanzlerin hat ihren Urlaub unterbrochen, um nach den drei Terroranschlägen Stellung zu nehmen. Sicherheitsdebatte statt Südtirol. Fragen und Antworten statt Wandern in den Bergen. Eigentlich wollte sie zum Ende der Sommerpause kommen, so wie im letzten Jahr, doch jetzt zog sie ihren Auftritt vor der Hauptstadtpresse vor.

„Sie reagiert zu spät“, das ist ein verbreiteter Eindruck in der Bevölkerung, spätestens nach dem Anschlag von Ansbach . Und manche fügen hinzu. „Schließlich hat sie uns das doch eingebrockt.“ Was sie solchen Leuten antworte, wenn sie sie träfe, wird Merkel von einer holländischen Journalistin gefragt.

Angela Merkel sieht die politische Lage, sieht auch ihre Verantwortlichkeit anders. Angst sei kein Ratgeber, sagt sie, und sie habe immer das Gefühl gehabt, „verantwortlich und richtig“ zu handeln. Eine persönliche Schuld sehe sie nicht.

Angela Merkel will sich keine Mitverantwortung an den terroristischen Anschlägen zumessen lassen, das wird klar, als sie gleich zu Beginn der Pressekonferenz einen Bogen von Orlando über Belgien nach Deutschland schlägt. Sie spricht von Anschlägen „an Orten, an denen jeder von uns sein könnte.“

Dass Flüchtlinge als Attentäter auftreten „verhöhnt das Land, das es aufgenommen hat.“ Und zwar egal, ob sie vor oder nach dem 4. September gekommen sind. Auch das ist ein Hinweis Merkels darauf, dass sie nicht zwischen der Zeit der anschwellenden Flüchtlingszahl des letzten Jahres und jenem 4. September, der unkontrollierten Grenzöffnung, unterscheiden will. Der Attentäter von Ansbach war schon länger in Deutschland, er ist nicht unkontrolliert eingereist.

„Wir schaffen das“

Merkel betont, sie habe im letzten September keinen Fehler gemacht. Sie habe nach bestem Wissen und Gewissen entschieden, und das in Zusammenarbeit mit der ganzen Regierung. Sie stehe nach wie vor zu den Grundentscheidungen. Vieles sei schon in Gang gekommen, man werde alles tun, um die Sicherheit zu gewährleisten, so Merkel. Sie stellt einen Neun-Punkte-Plan vor mit bekannten und neuen Maßnahmen für mehr Sicherheit der Bürger.

Es war wohl auch die CSU , die zur Zeit in St. Quirin in Klausur ist, die mit ihren Forderungen die Kanzlerin antreibt. „Besonnenheit reicht nicht“, hatte CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert, der Schutz des Staates für seine Bürger müsse gewährleistet werden. Nachdem Merkel daraufhin kurzfristig vor die Presse ging, lobt Stephan Meyer, der innenpolitische Experte der CSU, die Kanzlerin. Sie habe richtig reagiert, habe die Brisanz der Lage erkannt. Und in Gedanken möchten viele in der CSU ein „endlich“ hinzufügen. Doch Merkel bleibt sich treu. Mögen andere Regierungschefs wie François Hollande zu den Orten des Terrors eilen, Merkel sagt, sie entscheide von Fall zu Fall. Sie sei nicht nach Ansbach gefahren, aber sie werde am Sonntag an der Trauerfeier in München teilnehmen, wo man auch der anderen beiden Attentate gedenken könne.

Die Kanzlerin setzt auf Ruhe und Besonnnenheit. „Merkel singt weiter Schlaflieder“ schreibt ein Kommentator. Die Kanzlerin erinnert daran, dass sie im letzten Jahr gesagt habe, „wir schaffen das“. Und sie fügt hinzu: „Ich habe nicht gesagt, dass es eine einfache Sache wird." Es sei eine historische Aufgabe.

Ob sie dem CSU-Sicherheitskonzept auch zustimmt, das will sie nicht sagen. Es gebe viele Übereinstimmungen, aber das werde noch analysiert. Der Staat müsse weitestgehendes Vertrauen herstellen.

Ob das nun die schwierigste Situation ihrer Kanzlerschaft sei, wird Angela Merkel nach den drei Terroranschlägen in Deutschland gefragt. Sie wägt ab. Das ganze letzte Jahr sei nicht einfach gewesen, ist ihre Antwort. „Wir haben es mit einer großen Bewährungsprobe zu tun.“ Es gehe um die offene Gesellschaft, „um die Art zu leben, die wir schätzen“. Diese Art dürften wir uns nicht kaputt machen lassen, sagt die Bundeskanzlerin. Man werde auch die neue Aufgabe bewältigen.