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Martin Schulz: Ende einer politischen Karriere

Politik / Lesedauer: 5 min

SPD-Chef Martin Schulz verzichtet auf Ministeramt in neuer Großer Koalition
Veröffentlicht:09.02.2018, 20:36

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Am Ende stehen 16 Zeilen. In acht knappen Sätzen begründet Martin Schulz am Freitagnachmittag seinen Rückzug. Ende einer politischen Karriere.

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Noch am Mittwoch hatte er geglaubt, sich ins Außenministerium gerettet zu haben und angekündigt, SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles den Parteivorsitz überlassen zu wollen. Am Freitag dann, nur 36 Stunden später, das schnelle und überraschende Aus für Martin Schulz. Gerade noch der große Gewinner der Koalitionsverhandlungen, steht er jetzt mit leeren Händen da.

Der Druck war zu groß geworden. Die Parteispitze drängt ihn zum Verzicht. Durch die Diskussion um seine Person sehe er ein erfolgreiches Mitgliedervotum gefährdet. „Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der , so Schulz am Nachmittag in einer schriftlichen Erklärung.

Seine persönlichen Ambitionen müssten jetzt hinter den Interessen der Partei zurückstehen, begründet er den Schritt. Noch einmal feiert der scheidende SPD-Chef den Koalitionsvertrag als großen Erfolg. Jetzt sei es „von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD beim Mitgliedervotum für diesen Vertrag stimmen“, wirbt Schulz. Kein Auftritt mehr vor den Kameras. Rückzug vom Parteivorsitz und kein Wechsel ins Auswärtige Amt. Vom Hoffnungsträger zum Hinterbänkler. Das SPD-Beben erreicht seinen Höhepunkt.

Notbremse gezogen

Die Parteispitze zieht die Notbremse, will verhindern, dass der Mitgliederentscheid über den schwarz-roten Koalitionsvertrag und ein Regierungsbündnis mit der Union scheitert. Im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, habe man einen regelrechten Sturm der Entrüstung von Mitgliedern erlebt, die sich per E-Mail oder Telefon über Schulz’ Zickzackkurs und seine Absicht, Sigmar Gabriel als Außenminister abzulösen, empört hätten, hieß es. Vom GroKo-Gegner zum GroKo-Befürworter, vom kategorischen Nein zu einem Ministeramt zum Ja und dem Verzicht auf den Parteivorsitz – Schulz habe seine Glaubwürdigkeit verloren, sich mit seinen 180-Grad-Wenden ins Abseits manövriert und sei zu einer Belastung geworden.

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Mit seinem Rückzug leiste er einen notwendigen Beitrag dazu, die Glaubwürdigkeit der SPD zu stärken, erklärte der nordrhein-westfälische SPD-Chef Michael Groschek, der mit zu den Königsmördern gehört und hinter den Kulissen den Druck erhöht hatte. In der SPD-Spitze fürchtete man, dass die Personaldebatte die inhaltliche Diskussion über den Koalitionsvertrag überschatten und sich negativ auf den Mitgliederentscheid auswirken könnte. Die Gefahr, dass das Votum der Basis über die GroKo scheitern könne, sei zu groß, hieß es.

Eine Krise jagt die Nächste

Am Freitag jagt eine Krisenrunde der SPD-Spitze die nächste, schaltet sich das engere Führungspersonal der Genossen telefonisch zusammen. Es brodelt mächtig in der Parteispitze. Stunde für Stunde wächst der Druck. Schließlich folgen ein Misstrauensvotum und Ultimatum. Die Parteiführung habe ihn vor die Wahl gestellt: Entweder Schulz erkläre bis zum Nachmittag seinen Verzicht auf das Amt des Außenministers oder er werde öffentlich dazu aufgefordert, hieß es aus dem Präsidium. Die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Hessen hatten gedroht, ihn andernfalls am Montag in den Sitzungen von Präsidium und Vorstand per Antrag zum Rückzug aufzufordern. Schulz zögert, wartet in seinem Büro im Willy-Brandt-Haus, berät sich mit seinen engsten Vertrauten und zieht schließlich am Nachmittag die Konsequenzen.

„Die Entscheidung von Martin Schulz verdient höchsten Respekt und Anerkennung“, würdigt SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles den Schritt, die den Parteivorsitz übernehmen soll, und bescheinigt ihm „beachtliche menschliche Größe“. Jetzt gelte es, sich „voll und ganz auf die inhaltliche Debatte“ und den Mitgliederentscheid zu konzentrieren. Große Koalition Ja oder Nein? In der SPD-Führung setzt man darauf, dass der Schulz-Rückzug wie ein Befreiungsschlag wirkt und die Zweifler in der Partei überzeugen wird.

Seit Wochen schon stand Schulz in der eigenen Partei unter Druck, waren Rufe nach seinem Rückzug laut geworden. Der Streit um das Außenminister-Amt und Schulz’ Pläne, den Posten des Chefdiplomaten zu übernehmen und Amtsinhaber und Vizekanzler Sigmar Gabriel zu beerben, hatten schließlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Am Mittwoch hatte Schulz angekündigt, das Amt des Außenministers übernehmen und den Parteivorsitz an Fraktions-chefin Andrea Nahles übergeben zu wollen. Entsetzen in der Partei über die Wende.

Gabriel rechnet ab

Tags darauf hatte Gabriel seinem Ärger über den drohenden Jobverlust mächtig Luft gemacht, mit Schulz und der Partei abgerechnet. Er bedaure „wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“, klagte Gabriel und spielte darauf an, dass ihm Schulz vor einem Jahr eine Jobgarantie gegeben habe, für den Fall, dass die SPD nach der Bundestagswahl weiterregieren werde. So hätte er sich gewünscht, dass man sich „einfach mal in die Augen schaut und die Wahrheit sagt“, klagte er und griff Schulz schließlich sogar indirekt persönlich an. Seine kleine Tochter habe ihm gesagt: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast dsu doch mehr Zeit mit uns. Das ist besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht“, so Gabriel. Eine Attacke, die für Empörung sorgte.

Was wird jetzt aus Sigmar Gabriel? Bleibt er im Falle einer Neuauflage der Großen Koalition Außenminister? Die Personaldebatte in der SPD geht weiter.