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Tagesordung

„Ich kann die Kritik an den G20-Treffen gut verstehen“

Politik / Lesedauer: 3 min

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht viel Veränderungsbedarf und verurteilt gewalttätige Demonstranten
Veröffentlicht:07.07.2017, 21:15

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Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ( SPD ) übt Kritik an der Tagesordung der G20-Treffen. Es werde zu wenig über die Bekämpfung des Hungers und der Armut gesprochen und zu viel über Aufrüstung, sagt Gabriel im Gespräch mit Andreas Herholz.

Der G20-Gipfel wird von massiver Gewalt überschattet. Dichte Rauchschwaden über Hamburg – sind ein solches Treffen und Format mitten in einer Metropole noch zeitgemäß?

Ehrlich gesagt muss sich doch die erste Kritik nicht an eine solche Veranstaltung richten, sondern an die gewalttätigen Demonstranten. Wie kann man für eine gerechtere und friedlichere Welt eintreten und dann selbst im eigenen Land mit Gewalt vorgehen? Ich kann die Kritik an den G20-Treffen gut verstehen und teile vieles davon. Aber in demokratischen Ländern wie Deutschland muss es möglich sein, dass sich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt treffen, um miteinander zu reden. Man muss wirklich nicht alles richtig finden, was hier passiert. Aber die Welt wird nicht besser, wenn die Regierungen nicht mehr miteinander reden. Im kommenden Jahr jährt sich zum 100. Mal das Ende des Ersten Weltkrieges. Damals ist die Welt schlafwandlerisch in einen mörderischen Krieg gegangen, weil es keine Gespräche, keine Verhandlungen und keine Diplomatie gab.

Aber gibt es nicht zeitgemäßere Formen für solche Treffen?

Ja, natürlich. Wir Sozialdemokraten haben zum Beispiel vorgeschlagen, diese Treffen am Sitz der Vereinten Nationen durchzuführen. Das wäre bereits das richtige Symbol, denn die G20 sind keine Weltregierung. Die ärmsten Länder sitzen nicht mit am Tisch. Bei der Uno könnte wenigstens der Generalsekretär der UN der Gastgeber sein und die Interessen derjenigen vertreten, die sonst bei den G20 nie zu Wort kommen. Und auch die Tagesordnung von G20 ist nicht immer angemessen: Es wird zu wenig über die Bekämpfung des Hungers und der Armut gesprochen und zu viel über Aufrüstung. Es gibt also viel Veränderungsbedarf. Aber das rechtfertigt weder die Forderung, man möge sich gar nicht mehr treffen noch gewalttätige Gegendemonstrationen.

Nach dem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump – rechnen Sie nur noch mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner beim Klimaschutz?“

Leider deutet manches darauf hin. Und nicht nur beim Klimaschutz. Auch beim Welthandel entfernen sich die USA von der international für alle verbindlichen Ordnung. Wir sagen: Es muss die Stärke des Rechts herrschen und nicht das Recht des Stärkeren. Und auch hier gäbe es dringend Verbesserungsbedarf. Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert zu Recht, dass aus freiem endlich fairer Handel werden muss. Die gewaltigen Gewinne von Freihandelsabkommen müssen zu einem Teil auch denen zugutekommen, die aufgrund ihrer Armut an den Vorteilen dieses freien Handels gar nicht teilhaben können.

Der amerikanische Präsident setzt weiter auf Protektionismus. Droht jetzt ein Handelskrieg mit den USA?

Ich hoffe das nicht. Aber wenn die USA wirklich den Import von Gütern aus Deutschland und Europa zu einem Risiko für ihre nationale Sicherheit erklären, um damit das internationale Verbot von Strafzöllen zu umgehen, dann kann Europa das nicht tatenlos hinnehmen. Wir werden uns wehren. Aber klar ist auch: Am Ende verlieren bei solchen Auseinandersetzungen alle. Wir hoffen, die USA davon überzeugen zu können.

Der türkische Präsident Erdogan provoziert mit Nazi-Vergleichen und Drohungen. Ist er noch ein verlässlicher Partner? Steht die Tür der EU für Ankara weiter offen?

Mit dieser Art von Parolen und vor allem mit der Abkehr von allen demokratischen Freiheitsrechten in der Türkei lautet die Antwort auf einen EU-Beitritt der Türkei ganz sicher: Nein. Mir tun nur die Menschen in der Türkei leid. Denn sie wollen ein gutes Verhältnis zu Europa und zu Deutschland.