StartseitePolitikGrüne setzen Zeichen

Muslime

Grüne setzen Zeichen

Politik / Lesedauer: 3 min

Türkischstämmige Politikerin Aras soll Landtagspräsidentin werden
Veröffentlicht:10.05.2016, 20:56

Von:
Artikel teilen:

Die türkischstämmige Grünen-Politikerin Muhterem Aras hat sehr gute Chancen, die neue Präsidentin des baden-württembergischen Landtags zu werden. Das Parlament in Stuttgart kommt am heutigen Mittwoch erstmals nach der Landtagswahl zusammen und wählt sein Präsidium. Als stärkste Fraktion haben die Grünen das Vorschlagsrecht für die Besetzung des Präsidentenpostens.

„Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Landtagsdebatten würdevoll und reibungslos verlaufen“, sagte die 50 Jahre alte Bildungs- und Finanzexpertin am Dienstag der „ Schwäbischen Zeitung “. Das gelte für alle Parteien, „nicht nur für die AfD“. Aras will eine souveräne Präsidentin sein. Wer sich nicht an die Grundregeln im Parlament halte, werde die Instrumente, die ihrem Amt zur Verfügung stehen, zu spüren bekommen, machte sie nach ihrer Nominierung klar. Die Grüne will das öffentliche Interesse an demokratischen Prozessen fördern. Sie erwägt nach eigenen Worten, Ausschusssitzungen des Parlaments öffentlich zu machen, um seine Arbeit transparenter zu gestalten.

Die Muslima glaubt nicht, dass ihr türkischstämmiger Hintergrund ausschlaggebend für ihre Nominierung war: „An erster Stelle kommen Fähigkeit und Qualifikation.“ Beides habe sie in ihrer bisherigen Arbeit unter Beweis gestellt. Die aktuelle Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehöre, bezeichnet Aras als „absurd“: „Meine Fraktion hat mit meiner Nominierung die beste Antwort gegeben.“

Der Islam sei natürlich ein Teil Baden-Württembergs. Die Muslime brauchen aber auch „eine klare Haltung seitens der Mehrheitsgesellschaft, dass sie sich auch zu dieser Gesellschaft zugehörig fühlen können“, sagte sie 2015 in einer Rede. Den Islam zu akzeptieren, bedeute nicht, christliche Traditionen über Bord zu werfen, findet die Grüne.

Sie schätzt Schildkröten, deren Klugheit und Verlässlichkeit. Doch Aras hat in ihrer politischen Laufbahn ein Tempo vorgelegt, das wenig mit der Langsamkeit der Reptilien zu tun hat. 1992 in die Öko-Partei eingetreten, kam die zierliche Steuerberaterin mit dem dunklen Pagenschnitt über die Stationen im Stuttgarter Gemeinderat und als Chefin ihrer Fraktion dort am vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere an: Im urbanen Wahlkreis Stuttgart I holte sie 2011 das Direktmandat und bekam 42,5 Prozent der Stimmen. Damit war sie die bestplatzierte Grüne im Land. 2016 stellte sie wieder diesen Bestwert auf.

Unbeschwerte Kindheit in Türkei

Als eines von fünf Kindern kam Aras mit ihrer Familie 1978 aus der Türkei nach Filderstadt, die Zwölfjährige sprach damals kein Wort Deutsch. Sie sei in einem anatolischen Dorf aufgewachsen, „nicht behütet wie deutsche Kinder“, erzählt die Alevitin. „Ich habe keinen Kindergarten besucht, hatte keine Schere in der Hand, kannte weder Knete noch Buntpapier. Wir waren uns selbst und der Natur überlassen. Aber wir hatten eine unbeschwerte Kindheit.“

Damals entstand auch ihr Faible für Schildkröten, die anatolischen Kinder lieferten sich auf den Tieren Wettrennen. Ihre Eltern bestanden auf einer ordentlichen Ausbildung, so schaffte die Tochter den Weg von der Hauptschule bis zum Abitur. Anschließend studierte sie Wirtschaftswissenschaften. 1999 gründete sie ihr eigenes Steuerberatungsbüro.

Heimat sei für sie kein geografischer Punkt. „Heimat ist der Ort, an dem ich mich wohl fühle“, schreibt auf ihrer Internetseite Aras, die gerne schwäbisch kocht. Die Heimat, das ist jetzt Stuttgart. Die zweifache Mutter schätzt die Metropole, weil sie weltoffen und tolerant sei: eine „Musterstadt im Musterländle, in der die Herkunft im Zusammenleben kaum eine Rolle spielt“.