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Franz Müntefering: „Der Brexit ist verrückt“

Politik / Lesedauer: 3 min

SPD-Mann Franz Müntefering über den Brexit und den Sinn von Volksentscheiden
Veröffentlicht:27.06.2016, 19:36

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Der frühere Vizekanzler und SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering spricht im Interview Claudia Kling und Christoph Plate über den Brexit .

Herr Müntefering, werden Sie sich im nächsten Jahr im Bundestagswahlkampf für die SPD engagieren?

Ich will, dass die SPD gewinnt, und werde ihr dabei helfen. Hie und da werde ich eingeladen werden, dann gehe ich auch da hin.

Wir haben vor wenigen Tagen ein dramatisches Ereignis in Großbritannien erlebt. Was war Ihre erste Reaktion, als Sie gehört haben, dass das Königreich die EU verlassen will?

Schade, falsch! Wenige Stunden später habe ich gedacht, dass ist ja völlig verrückt, weil ich bald den Eindruck gewann, dass die gar nicht wissen, was sie mit dem Ergebnis überhaupt anfangen wollen und sollen.

Kann man das wieder rückgängig machen, nach dem Motto, sorry, war nicht so gemeint?

Das Ganze war ja kein Volksentscheid, sondern eine Volksbefragung. Das Parlament, das in der Mehrheit gegen den Brexit ist, muss jetzt entscheiden, ob man dem Votum des Volkes folgt. Mich irritiert und ärgert, dass Premierminister Cameron und andere die Sache losgetreten haben, ohne offensichtlich zu wissen, wie man mit der Situation umgehen will. Das ist unverantwortlich, nicht nur gegenüber Europa, sondern auch gegenüber Großbritannien .

Auch in Deutschland werden Forderungen nach einem Volksentscheid und Referendum über die EU-Mitgliedschaft laut. Wie begegnen Sie solchen Forderungen?

Ich verweise auf unser Grundgesetz. Da ist festgelegt, wie das geht mit der parlamentarischen Demokratie: Die Macht geht vom Volke aus, sie regelt sich in Abstimmungen und Entscheidungen, die getroffen werden. Wir haben bisher gute Erfahrungen gemacht mit der parlamentarischen Demokratie.

Kann ein Politiker wie Sie, Herr Müntefering, eigentlich irgendwann mal sagen, jetzt ist gut mit der Politik? Oder ist man immer ein politischer Mensch?

Das ist nicht nur bei Politikern so, sondern bei allen. Demokratie hat keinen Schaukelstuhl. Solange der Kopf klar ist, sind sie mitverantwortlich für das was passiert. Und auch die 70- bis- 80-ährigen sind verantwortlich für das, was morgen passiert.

Entscheiden im Moment zu viele Alte für zu wenige Junge, wie eben beim Brexit geschehen?

Ich weiß nicht, wie viele Alte und Junge zum Referendum gegangen sind. Ich will nur sagen, das alle, die Gutes wollen, auch zur Wahl gehen müssen, denn Gutes passiert nicht von alleine, man muss eine Chance nutzen. In Großbritannien hat sich schon gezeigt, dass die Jungen Gott sei Dank globaler denken, urbaner sind als die Älteren. Dass sie besser als die Älteren verstanden haben, dass eine Rückkehr in die eigene Burg mit dieser Welt nicht mehr kompatibel ist. In einer Welt, die vollvernetzt ist, in der man jeden Punkt erreichen kann, kann man sich nicht auf sein Volk zurückziehen. Ich bin sicher, dass die deutsche ältere Generation klüger ist als die britische.