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Judentum

Entsetzen über antisemitische Proteste

Politik / Lesedauer: 4 min

Kritik an Demos gegen Israel wächst – Muslime gehen auf Distanz
Veröffentlicht:11.12.2017, 21:38

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Vertreter aus Politik und Judentum haben mit Entsetzen auf judenfeindliche Anti-Israel-Proteste reagiert. Nach der Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch die US-Regierung war es am Wochenende in zahlreichen Städten in Deutschland und Europa zu Demonstrationen gekommen, bei denen unter anderem in Berlin Israel-Flaggen verbrannt wurden.

Die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sei kein Freibrief für antisemitische Entgleisungen, für Hetze und Gewalt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Man muss sich schämen, wenn auf den Straßen deutscher Städte so offen Judenhass zur Schau gestellt wird“, erklärte Seibert. Dem müsse entschlossen entgegengetreten werden. Deutschland sei „dem Staat Israel und allen Menschen jüdischen Glaubens in ganz besonderer Weise verbunden“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der „Bild“: „Wir akzeptieren nicht, wenn Juden oder der Staat Israel auf diese beschämende Weise beleidigt werden.“

Das Verbrennen von israelischen Flaggen und eines Davidsterns bei pro-palästinensischen Demonstrationen am Freitag und Sonntag vor dem Brandenburger Tor in Berlin hat den Ruf nach Konsequenzen laut werden lassen. Bestürzt reagierte Israels Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff: „Es ist bedauerlich, dass wir auch im Herzen Europas, am Brandenburger Tor, mitansehen müssen, was wir bisher vor allem aus dem Nahen Osten kannten: brennende Flaggen, Hetze und offen antisemitische Parolen“, sagte er im Gespräch mit der „ Schwäbischen Zeitung “. „Freiheit der Meinung darf nicht Freiheit zur Hetze und zum Aufruf zu Straftaten werden. Es ist gut, dass hochrangige Politiker und zuständige Stellen angekündigt haben, in Zukunft solche Hetze zu verhindern.“

Mazyek: Islam ist „antirassistisch“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek , erklärte auf Anfrage: Wer für das Recht und die Gerechtigkeit unter den Völkern demonstriere und zugleich zu Gewalt gegen Juden aufrufe, „hat sein Recht auf Demonstration verwirkt, handelt im Widerspruch zum Recht und schadet der Sache enorm“. Der Islam, so Mazyek, sei „antirassistisch“.

„Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemitismus und Fremdenhass“, erklärte Kanzlerin Angela Merkel ( CDU ). Keinerlei Meinungsunterschiede auch über die Frage des Status von Jerusalem rechtfertigten ein solches Vorgehen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: „Unser Rechtsstaat darf und wird das nicht tolerieren.“

Anlass der Demonstrationen war die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt des Staates Israel anzuerkennen. Die Palästinenser, die Ostjerusalem zur Hauptstadt ihres künftigen Staates machen wollen, sehen sich dadurch provoziert. Zehn Personen wurden bei den Demonstrationen vor der US-Botschaft nahe des Brandenburger Tores und des Holocaust-Mahnmals festgenommen, Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verletzung von Hoheitszeichen ausländischer Staaten eingeleitet. Allerdings ist das Verbrennen von Flaggen grundsätzlich nicht strafbar (siehe untenstehende Meldung).

„Wenn dies die Rechtslage ist, sollte die Bundesregierung dringend mögliche Gesetzesänderungen prüfen“, forderte Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wenn antisemitische Parolen gerufen und israelische Flaggen verbrannt werden, ist eine Demonstration sofort aufzulösen.“ Schusters Vorgängerin Charlotte Knobloch sagte der „Heilbronner Stimme“: „Hier eskaliert tradierter Judenhass, dem jeder Vorwand recht ist. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung.“

Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) ging in einer Stellungnahme nicht eigens auf die anti-israelischen Demonstrationen ein, rief jedoch Muslime, Christen und Juden auf, für den Dialog einzutreten. „Salam und Shalom sind zwei Varianten des gleichen Bittgebetes für unser Gegenüber: Friede, Heil und Versöhnung.“ Zugleich verurteilte KRM-Sprecher Zekeriya Altug die Entscheidung der USA. Sie berge die Gefahr „die bereits sehr instabile Situation im Nahen und Mittleren Osten noch weiter zu schwächen“.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kündigte an, die Polizei werde jede Demonstration auflösen, von der Straftaten ausgingen. Am Sonntagabend jedoch verbrannten Demonstranten in Berlin-Neukölln erneut eine israelische Flagge, ohne dass die Polizei zunächst eingeschritten wäre und die Demonstration aufgelöst hätte. Mitte 2014 während des dritten Gaza-Krieges war Berlin auch Schauplatz antisemitischer Proteste gewesen.