StartseitePolitikDie langen Schatten über Jamaika

Landtagswahl

Die langen Schatten über Jamaika

Politik / Lesedauer: 5 min

Wie Horst Seehofer an Boden verliert – und die CSU mit ihm
Veröffentlicht:14.11.2017, 17:05

Von:
Artikel teilen:

Angeschlagen sieht er aus und in den letzten Wochen scheint er um Jahre gealtert. Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsident, gibt sich bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin alle Mühe, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Er ist in der Materie drin, er gilt als verständiger und versierter Gesprächspartner. Doch Querschüsse aus Bayern machen ihm zu schaffen. Rücktrittsforderungen waren zu hören, obwohl er in Berlin verhandelt. Dass er längst ein Ministerpräsident auf Abruf ist, weiß er. Seine Schonfrist läuft am Freitag ab.

Viel Spielraum hat er bei den Verhandlungen nicht. Die innerparteiliche Situation schränkt ihn ein. In der neuesten Umfrage liegt die CSU bei 36 Prozent, eine alarmierende Zahl für eine Partei, die im nächsten Jahr bei der Landtagswahl in Bayern wieder die Alleinherrschaft anstreben will. Immer wieder gab es Mahnungen, die ständigen Interventionen zu unterlassen. Von Seehofer selbst, aber auch von anderen. „Sie schaden der CSU, weil wir als eine Partei wahrgenommen werden, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigt“, sagte etwa CSU-Vize Angelika Niebler in einem Interview. Dabei gehe es jetzt doch erst einmal darum, möglichst viele Interessen im Sinne der CSU und für Bayern durchzusetzen.

Blaue Schilder für den Nachfolger

Doch viele hielten sich nicht daran. Nicht nur die Junge Union, auch Seehofers Nachfolger in den Startlöchern, Markus Söder , hat am Drehbuch kräftig mitgeschrieben, als die jungen CSUler mitten in die Berliner Gespräche hinein, zwölf Tage vor Abschluss der Sondierungen, in Erlangen die blauen Schilder mit „MP Söder“ in die Höhe hielten. Und natürlich hat es diesen gefreut, auch wenn er in seiner Rede gar nichts dazu sagte. Allerdings könnte genau diese Inszenierung Markus Söder auch geschadet haben, weil er noch während der Sondierungen in Berlin allzu heftig in das Amt drängt.

„Die Skepsis gegen Söder wächst“, heißt es in der Landtagsfraktion, auch wenn er derzeit die Mehrheit hinter sich habe. Doch Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister, gilt vielen als ebenbürtiger Hoffnungsträger für den Posten des Ministerpräsidenten.

Am Freitagmorgen sollen die Sondierungsgespräche in Berlin beendet sein. Dann wird Horst Seehofer wohl erst einmal gemeinsam mit Angela Merkel die Unionsfraktion über das Ergebnis unterrichten. Und am Samstagfrüh in München seine Landtagsfraktion. Nach den Sondierungen werde er erklären, so hat Horst Seehofer es verkündet, wie es in der CSU und bei den Landtagswahlen 2018 weitergehen soll.

Was er erklären wird, weiß nur Horst Seehofer selbst. „Der bespricht sich mit niemand“, heißt es in seinem Umfeld. Aber alle, die ihn kennen, sind sich sicher, dass er auf gar keinen Fall das Feld kampflos für Nachfolger Söder räumen wird. Dem hatte er einst vorgeworfen, seine Beziehung in Berlin und sein uneheliches Kind in der Öffentlichkeit lanciert zu haben, er hatte ihm „Schmutzeleien“ vorgeworfen und soll ihn bis heute hassen.

Andererseits aber ist auch für keinen in der CSU vorstellbar, dass Seehofer einfach weitermacht. Er gilt als viel zu angeschlagen, um als Spitzenkandidat die Partei in die Landtagswahl 2018 zu führen. Zu viele Fehler sind ihm unterlaufen, quälend lang hat er im Flüchtlingsstreit mit der Kanzlerin um jeden Zentimeter Deutungshoheit gestritten und damit am Ende beiden – und beiden Parteien – geschadet.

Viele gehen davon aus, dass am Samstag in München erst einmal der Fahrplan für Personalentscheidungen besprochen wird. Es zeichnet sich ab, dass die CSU den Parteivorsitz und den Posten des Ministerpräsidenten wieder in zwei verschiedene Hände geben wird. Für den Parteivorsitz läuft sich derzeit der Europapolitiker Manfred Weber warm, der als souveräner Politiker gilt. Aber auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist nicht chancenlos. Seehofer hat sie aus Berlin zurück nach München geholt, um sie als potenzielle Nachfolgerin aufzubauen. „Doch sie hat nicht richtig gezündet“, sagen selbst ihre Freunde. In letzter Zeit aber hat sie sich wieder zu Wort und damit in der Nachfolgediskussion zurückgemeldet. „Die CSU gibt derzeit ein katastrophales Bild ab“, sagte Aigner und warnte ihre Partei vor einem Rechtsruck.

Markus Söder selbst hat bereits als Friedensangebot in Richtung Seehofer unterbreitet, er könne auf den Parteivorsitz verzichten, wenn er denn Ministerpräsident würde.

Was will Dobrindt?

Als die großen Unbekannten, was persönliche Pläne angeht, gelten Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Von Dobrindt erwarten einige, dass auch er den Parteivorsitz anstreben könnte, von Joachim Herrmann, dass er auch als Ministerpräsident bereit stünde, wenn denn Markus Söder weitere Fehler macht. Söder gilt zwar als Vollblutpolitiker, aber nicht als der geborene Landesvater, der mit breitem Wissen und viel Menschlichkeit die Geschicke lenkt.

Und was macht Horst Seehofer? „Wenn er unbedingt weiter Politik machen will, muss er nach Berlin gehen“, heißt es in München. Viele Christsoziale halten es allerdings für schwer vorstellbar, dass sich Seehofer noch einmal in die Kabinettsdisziplin bei Angela Merkel einbinden lässt. Es sei denn, er will von der Politik nicht lassen und könnte sich selbst ein so überzeugendes Ministerium für Arbeit und Soziales zimmern, dass es eine gesichtswahrende Lösung für ihn wird.