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Attacke

Die Kanzlerin ist nun gefordert

Politik / Lesedauer: 2 min

Die Kanzlerin ist nun gefordert
Veröffentlicht:26.02.2017, 21:17

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Plötzlich schweigt die Kanzlerin nicht mehr zu dem Thema, das Martin Schulz mit seiner Bielefelder Rede für sich reklamiert hat und mit dem er das Kanzleramt für sich erobern will. Angela Merkel schaltet auf Attacke, wenn auch in der ihr eigenen dosierten Form. Deutschland als Stabilitätsanker in Europa – dank der Agenda 2010 ihres SPD-Vorgängers Gerhard Schröder. Eine These, der näher betrachtet kaum zu widersprechen ist.

Wer sich allerdings an die Zeit erinnert, als die Regierung Schröder die in der SPD so umstrittenen Reformen umsetzte, findet ganz ähnliche Aussagen auch von Merkel-Kontrahent Schulz. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten saß im Parteipräsidium, als die Reformen entstanden und verteidigte sie – mit ganz ähnlichen Argumenten, wie es heute Merkel tut. Nur will er sich daran nicht mehr erinnern, macht die gefühlte Ungerechtigkeit in Teilen der Bevölkerung zu seinem Thema.

Wer bei der Bielefelder Rede, als Martin Schulz Fehler bei der Agenda 2010 einräumte, genau zugehört hat, gewann jedoch den Eindruck, dass Schulz das Reformpaket nicht als Ganzes infrage stellt. Weder Hartz IV an sich, noch Sanktionen, noch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe will er abschaffen. Schulz’ eigentliches Ziel ist eine Diskussion über soziale Gerechtigkeit in Deutschland.

Merkels Konter ist hoffentlich der Auftakt für eine differenzierte Debatte über genau dieses Thema. Die Kanzlerin hat hierbei in der Vergangenheit sehr viel Pragmatismus bewiesen. 2007/08 war es für sie jedenfalls vollkommen in Ordnung, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I zu verlängern und die Agenda 2010 an dieser Stelle zu entschärfen.

Der politischen Kultur kann dieser Wettstreit, bei dem die Parteien ihr Profil schärfen müssen, nur nützen. Dass Merkel nun nicht mehr die Unangefochtene ist, inhaltlich gefordert wird und erstmals in ihrer Regierungszeit einen Gegner hat, der ihr gefährlich werden kann, macht den Wahlkampf spannend – hoffentlich auch für viele, die sich zuletzt von der Politik abgewandt haben.