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K-Frage

Die Genossen und die K-Frage

Politik / Lesedauer: 3 min

Bundespolitisch spielte Martin Schulz bislang keine große Rolle – dennoch wird spekuliert
Veröffentlicht:24.11.2016, 20:25

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„Mister Europa“, der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, kehrt Brüssel und Straßburg den Rücken. Der 60-Jährige aus Würselen bei Aachen steigt in die Berliner Politik ein, nachdem er 22 Jahre lang im Europäischen Parlament saß. Sein Abgang als omnipräsenter Vorsitzender der Institution eröffnet Spekulationen um seine politische Zukunft – und jene um die SPD-Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017.

Der Posten des Außenministers dürfte Schulz kaum zu verwehren sein, sollte der bisherige Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier im Februar zum Bundespräsidenten gewählt werden. Aber die K-Frage bei den Genossen bleibt weiter offen. Kaum hatte sich Schulz in Brüssel erklärt, war man in Berlin schon um Klarstellungen bemüht. Es bleibe beim Zeitplan, über die Kanzlerkandidatur werde Ende Januar entschieden. Man sei sich noch nicht einmal sicher, ob sich SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits entschieden habe, sagt ein Präsidiumsmitglied.

Dass Schulz gegen Gabriel putsche und gegen dessen Willen Kanzlerkandidat werde, sei unvorstellbar, heißt es aus SPD-Kreisen. Schulz’ Entscheidung habe man eng miteinander abgestimmt. In der NRW-SPD war schnell eine gemeinsame Linie gefunden: Schulz erhält bei der Bundestagswahl den prestigeträchtigen ersten Listenplatz, ohne sich um einen Wahlkreis kümmern zu müssen – eine Vorzugsbehandlung.

Doch aus der SPD in Nordrhein-Westfalen kommt auch nach der Wechselankündigung ein klares Bekenntnis zu Gabriel als Kanzlerkandidat. „Der Sigmar muss das machen. Er ist der Richtige“, sagte Axel Schäfer, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wenn es nächstes Jahr für Rot-Rot-Grün reicht, wird er Bundeskanzler.“

Buchhändler statt Fußballprofi

Schulz gilt als Politiker, der die Höhen und Tiefen des Lebens kennt. Eigentlich hatte er Fußballprofi werden wollen, musste aber nach einer schweren Knieverletzung den Traum aufgeben. Er wurde Buchhändler, rang mit Alkoholproblemen, kämpfte sich aber zurück aus dem Loch, mit eiserner Disziplin und unermüdlicher Energie. Schulz’ politische Karriere begann mit 31 Jahren, als er jüngster Bürgermeister Nordrhein-Westfalens wurde. 1994 wurde Martin Schulz ins Europaparlament gewählt, 2012 zum Parlamentspräsidenten. Europas Sozialdemokraten kürten Schulz am 1. Mai 2014 zum Spitzenkandidaten für die Europawahl. Doch schon wenige Wochen später war sein Traum geplatzt, zum Chef der Europäischen Kommission aufzusteigen. Die Genossen zogen den Kürzeren gegen Jean-Claude Juncker und die EVP. Es war politisch die größte Niederlage von Martin Schulz.

Mit seiner hartnäckigen Art machte er sich nicht nur Freunde. Italiens Ex-sMinisterpräsident Silvio Berlusconi bezeichnete Schulz einst als „Kapo“, einen Funktionshäftling in einem Konzentrationslager. Die Beleidigung machte den SPD-Politiker allerdings auch berühmt. Kritisiert wurde Schulz dafür, dass er Tagegelder des EU-Parlaments erhielt, obwohl er im Ausland auf Wahlkampftour war. Das steht dem Parlamentspräsidenten zwar zu, dennoch habe Schulz ein „verschleiertes, unversteuertes Zusatzeinkommen“ eingestrichen, lautete der Vorwurf.

In der EU-Schuldenkrise trat Schulz als Widersacher von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, zu der er einen engen Draht haben soll. Der Sozialdemokrat forderte mehr Einsatz für die Krisenländer. In der Flüchtlingskrise wurde er zum Verbündeten Merkels, prangerte die EU-Partner an, weil sie Griechenland und Deutschland im Stich ließen. In letzter Zeit mischte er sich auch in die deutsche Politik ein, forderte einen „Aufstand der Anständigen“ gegen Populismus und Fremdenfeindlichkeit.

In Deutschland hat Martin Schulz bislang jedoch selten eine große Rolle gespielt. In den Rankings der populärsten Politiker taucht er nicht auf, trotz seiner Dauerpräsenz in den Medien, wenn es in der EU mal wieder kriselt. Gleichwohl ist er laut einer Umfrage beliebter als sein „Kumpel“ Sigmar Gabriel. Die beiden werden künftig öfter an einem Tisch sitzen.