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BVB-Anschlag: Neues über den Verdächtigen

Politik / Lesedauer: 4 min

Über die Hintergründe des Anschlags auf den BVB-Bus ist nach der Festnahme eines Tatverdächtigen jetzt mehr bekannt, sagt der Kriminologe Thomas Feltes
Veröffentlicht:21.04.2017, 20:38

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Die Ermittler scheinen ganze Arbeit geleistet zu haben, auch in dem Bemühen, den jetzt festgenommenen Tatverdächtigen nicht vorzuwarnen. Andreas Herholz hat dazu Thomas Feltes befragt, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Kriminalpolitik, Polizeiwissenschaft an der juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Zunächst hatte die

Die Ermittler haben schon sehr früh darauf hingewiesen, dass das „Bekennerschreiben“ nicht passt. Sie haben sich meines Erachtens gerade nicht festgelegt. Und wenn man „in alle Richtungen“ ermittelt, dann muss man manchmal aus ermittlungstaktischen Gründen auch nicht genauer sagen, welche Richtungen das sind. Der Tatverdächtige wurde bereits seit dem 13.April, also nur zwei Tage nach dem Anschlag wegen des versuchten Mordes an den Spielern und Herbeiführens der Sprengstoffexplosion, gesucht. In der Öffentlichkeit war aber weiter von einem Terroranschlag die Rede.

Wollten die Ermittler den Gesuchten in Sicherheit wiegen?

Davon wird man ausgehen dürfen. Wenn die Ermittler diese Tatsache bekannt gegeben hätten, wäre der Verdächtige mit Sicherheit abgetaucht.

Es handelt sich um eine höchst ungewöhnliche Tat wie aus dem Drehbuch eines Thrillers. Gab es schon ähnliche Verbrechen?

Mir sind auf Anhieb keine vergleichbaren Straftaten bekannt. Aber wir wissen aus der Vergangenheit, dass bestimmte Tatbegehungsweisen, wie hier der Einsatz von Nagelbomben, durchaus von potenziellen anderen Tätern nachgeahmt werden oder diese sogar erst auf die Idee bringen, eine solche Tat zu begehen. Das war auch hier der Fall, wobei das Bekennerschreiben eher stümperhaft war, sodass sich die Ermittler schon früh auf andere als islamistische Hintergründe konzentrieren konnten, auch wenn sie dies aus ermittlungstaktischen Gründen nicht kundtaten. Und sicherlich wurde sehr schnell überprüft, von wo aus die Bomben überhaupt gezündet werden konnten, und dabei werden auch das Hotel und die Hotelgäste ins Visier geraten sein.

Habgier als Motiv für einen solchen Anschlag – steckt da die organisierte Kriminalität dahinter?

Ohne dies belegen zu können: Ich vermute eher nein. Dafür war das Ganze zu öffentlichkeitswirksam, gleichzeitig aber, wie etwa beim Bekennerschreiben, zu stümperhaft angelegt. Die organisierte Kriminalität spielt in einer anderen Liga. Dort kann man zum Beispiel durch Spiel- und Wettmanipulationen wesentlich einfacher Gewinne erzielen, und auch in anderen Dimensionen.

Ein Detail der drei Sprengsätze macht die Ermittler stutzig: Die Bomben seien durch einen militärischen Zünder ausgelöst worden, der in Deutschland aber nicht ohne Weiteres zu beschaffen ist. Was lässt sich daraus schließen?

Diese Frage wird man im Verlauf der weiteren Ermittlungen, in denen es auch um das persönliche Umfeld des Verdächtigen geht, klären. Generell müssen wir aber inzwischen davon ausgehen, dass durch das Internet praktisch alles zu beschaffen ist, was man zur Begehung von Straftaten braucht. Und wenn man es nicht bei Google oder Ebay findet, dann gibt es das Darknet, in dem solche Geschäfte in der Regel abgewickelt werden.

Der Tathergang war Tage später noch einmal minutiös im Detail rekonstruiert worden. Ein übliches Vorgehen bei den Ermittlungen?

Ja, natürlich. Dadurch bekommt man einen realistischen Überblick über den möglichen Ablauf der Tat. Und die Ermittler müssen ja nicht nur einen Tatverdächtigen finden, sondern auch die Beweise für die Anklage und spätere Gerichtsverhandlung sichern, und dies möglichst umfassend.

Drohen weitere solcher Anschläge? Wird es womöglich Nachahmer geben?

Nicht zuletzt aufgrund der medialen Aufbereitung solcher Taten wird man leider davon ausgehen müssen, dass auch zukünftig potenzielle Täter jedweder Couleur diese Aufmerksamkeit nutzen. Im Gegensatz zum Beispiel zu Erpressungen von Supermarktketten, die häufig von der Polizei bis zur Aufklärung im Verborgenen gehalten werden können, ist es bei solchen Taten nicht möglich, die Öffentlichkeit auszuschließen – und genau dies ist es, was bestimmte Personen wollen. Konkretisieren möchte ich dies an dieser Stelle nicht, um diese Tendenz nicht noch zu verstärken.

War es richtig, das ausgefallene Champions-League-Spiel unter diesen Bedingungen nur einen Tag nach dem Anschlag nachzuholen?

Was ist in diesem Zusammenhang „richtig“? Die Meinungen gehen hier deutlich auseinander. Mich hat beeindruckt, wie klar und deutlich Trainer und Spieler dazu gestanden haben, dass dieses Ereignis massive Auswirkungen auf sie gehabt hat. Damit hat der BVB ein Zeichen gesetzt. Leider hat die UEFA prinzipiell andere Interessen, der Mensch steht hier im Hintergrund. Aber das wussten wir schon vorher.