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Bekenntnis

„Jetzt ist die Stunde Europas“

Politik / Lesedauer: 5 min

Elmar Brok (CDU), Mitglied des Europäischen Parlaments, zur Zukunft der EU
Veröffentlicht:03.02.2017, 20:25

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Der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) fordert ein deutliches Bekenntnis zur europäischen Gemeinschaft. „Die Europäische Union muss endlich zur Erkenntnis kommen, dass wir bestimmte Dinge nur gemeinsam machen können“, sagte Brok im Gespräch mit Claudia Kling. Beim Bodensee Business Forum forderte er einen härteren Umgang mit den Kritikern der Union: „Wer Populisten nachäfft, versetzt sich selbst den Todesstoß“, sagte Brok.

Herr Brok, wie wirkt sich der neue US-Präsident Donald Trump auf Ihre Stimmung aus?

Meine Laune hat sich nicht verschlechtert, weil er ja immerhin einen hohen Unterhaltungswert hat. Was mich besorgt, ist Trumps Politik der Dekrete, die am Senat und am Repräsentantenhaus vorbeigeht. Damit müssen wir uns beschäftigen.

Sind Sie dennoch optimistisch, dass sich nicht alles so schlecht entwickeln wird, wie es sich jetzt anlässt?

Amerika ist ja ein Rechtsstaat. Das haben wir jetzt auch bei dem umstrittenen Migrationserlass gesehen, als die Gerichte direkt eingegriffen haben. Ich hoffe, dass die US-Gewaltenteilung weiterhin funktionieren wird. Zudem müssen wir unsere Kontakte nach Amerika, zum Senat und zur Öffentlichkeit intensivieren, um unsere Positionen und Interessen zu verdeutlichen. Die Erklärung, was die EU ausmacht, dürfen wir nicht EU-Feinden wie Nigel Farage überlassen.

Wie wollen Sie verhindern, dass der Trump-Effekt auf die Europäische Union ausstrahlt?

Ich hoffe, dass er ausstrahlt. Die Europäische Union muss endlich zur Erkenntnis kommen, dass wir bestimmte Dinge nur gemeinsam machen können. Wenn die Russen und die Chinesen versuchen, uns auseinanderzudividieren, und jetzt auch Amerika damit anfängt, dann müssen wir begreifen, dass wir nur gemeinsam in einer multipolaren Welt Chancen haben. Jetzt ist die Stunde Europas , es geht um unsere europäischen Interessen.

Ist das Jahr 2017 ein Schicksalsjahr für Europa?

Es ist kein Schicksalsjahr für Europa, es ist ein Schicksalsjahr für Deutschland und für Frankreich. Wenn Europa scheitert, wird auch Deutschland scheitern, dann werden auch andere Staaten scheitern. Denn nur gemeinsam haben wir in Fragen der Handelspolitik, der inneren und äußeren Sicherheit, der Migration, des Klimawandels und der Bekämpfung des Terrors eine Chance.

Die Menschen in Frankreich und in den Niederlanden scheinen das anders zu sehen.

Gegenwärtig hat Frau Le Pen keine Mehrheit in Frankreich. Ich bin optimistisch, dass sie nicht gewählt wird. Auch in den Niederlanden sind alle demokratischen Parteien wild entschlossen, einen Rassisten nicht zum Regierungschef zu machen.

Haben es die Politiker in der Europäischen Union vernachlässigt, die EU den Bürgern nicht nur als Wirtschaftsprojekt, sondern auch als Herzensangelegenheit zu erklären?

Wir alle sind dafür verantwortlich, die EU zu einer Herzensangelegenheit zu machen – Sie ebenso wie ich. Vor allem ist es notwendig, dass nationale Regierungen erklären, wie sie von Europa profitieren. Diese Methode, wenn etwas schiefläuft, es auf Brüssel zu schieben, ist nicht mehr hinnehmbar. Die EU ist nach wie vor das Erfolgreichste, was wir in unserer Geschichte erreicht haben.

Wie definieren Sie diesen Erfolg?

Wir haben seit 70 Jahren Frieden und Freiheit. Ein Maß an Wohlstand und sozialer Sicherheit, wie wir das noch nie in unserer Geschichte gehabt hatten. Bevor man ständig die EU kritisiert, sollte dies erst einmal zur Kenntnis genommen werden.

Aber mischt sich Europa nicht tatsächlich zu sehr in die nationalen Belange ein?

Dazu ein Beispiel: Vor 14 Tagen hieß es, die EU verbiete Buntstifte. Gott sei Dank, sage ich da. 30 Prozent der Buntstifte auf dem europäischen Markt haben hohe Blei- und Giftanteile. Wenn ich meine Enkelkinder anschaue, bin ich froh, dass sie diese Buntstifte nicht mehr in den Mund nehmen können. Mit den anderen 70 Prozent kann weiterhin gemalt werden. Aber überall heißt es: Überregulierung durch Europa. Solche Importe, vor allem aus China, können wir rechtlich nur gemeinsam vom EU-Markt und damit von Deutschland fernhalten. Natürlich haben auch wir in Brüssel wie die Politiker in Berlin manchmal Fehler gemacht. Aber seit der vergangenen Wahl haben Präsident Juncker mit der Kommission und dem Europäischen Parlament mehr als 60 Prozent der Gesetzgebung reduziert.

Ist die EU ein zahnloser Tiger, wenn es darum geht, auf Kritik zu reagieren?

Wir haben die Auseinandersetzung mit dem Populisten nicht richtig betrieben. Die Kritiker Europas – diese Petrys, Le Pens und Wilders – wollen Europa zerstören, um auf diese Art und Weise zur nationalistischen Politik der Vorkriegszeit zurückzukommen. Einer Partei wie der AfD geht es um einen Systemwandel – zurück zum Nationalismus, gegen die liberale Demokratie. Den Kampf gegen diese Populisten müssen wir offensiv und hart führen - bislang waren wir da nicht hart genug. Wer Populisten nachäfft, versetzt sich selbst den Todesstoß.

Wo sehen Sie die Europäische Union in fünf Jahren?

Entweder finden wir einen Kompromiss, oder es sind brutale Auseinandersetzungen zu erwarten. Die europäische Gemeinschaft ist mehr als die Summe aller Staaten, weil es eine gemeinsame Kraft ist. Wir sind wirtschaftlich stärker als die USA, wir haben mehr Handelsanteile in der Welt als China und die USA zusammen. Lasst uns das doch weiter bündeln und unsere Interessen wahrnehmen, statt uns selbst zu schwächen und uns auseinanderzunehmen. Ich bin hoffnungsfroh, dass die Bürger das verstehen werden.