StartseitePolitik„Die Maut in dieser Form ist eine Totgeburt“

Gesetzesprojekt

„Die Maut in dieser Form ist eine Totgeburt“

Politik / Lesedauer: 5 min

Verkehrsexperte Alexander Eisenkopf von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen im Interview
Veröffentlicht:26.03.2015, 18:36

Von:
Artikel teilen:

Die Pkw-Maut soll heute im Bundestag beschlossen werden. Im Interview mit Alexei Makartsev nennt Professor Alexander Eisenkopf , Leiter des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Verkehrspolitik der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, das umstrittene Gesetzesprojekt falsch kalkuliert und juristisch bedenklich.

Braucht Deutschland heute unbedingt eine Pkw-Maut?

Ja, weil die Verkehrsstruktur unterfinanziert ist. Nach offiziellen Schätzungen fehlt ein Betrag von 7,2 Milliarden Euro jährlich, der über einen Zeitraum von 15 Jahren aufgebracht werden müsste, um den Erhalt der Infrastruktur zu sichern.

Und die Einführung der Maut ist der einzige Weg, um diese Finanzierungslücke zu schließen?

Nein, man könnte auch mehr Geld aus den Haushalten für diese Zwecke verwenden. Aber in der Vergangenheit war dies regelmäßig an den politischen Widerständen gescheitert. Die zweite Finanzierungsmöglichkeit besteht in einer Erweiterung der Lkw-Maut, die wir seit 2005 haben. Da gibt es jetzt Veränderungen: So werden demnächst alle Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen mautpflichtig, ab 2018 sollen auch alle Bundesstraßen bemautet werden. Aber es ist trotzdem richtig, auch die Pkw-Maut einzuführen. Dahinter steht die Idee der Nutzerfinanzierung. Die Verkehrsinfrastruktur soll nicht über die Haushalte finanziert werden, sondern über Nutzergebühren. Dann wären wir nicht von den jährlichen Haushaltsschwankungen abhängig.

Wie bewerten Sie das Gesetz, über das der Bundestag abstimmen soll?

Das Problem ist, dass wir nur von den Ausländern, die eine Autobahn benutzen, die Maut erheben wollen. Die Besitzer der im Inland zugelassenen Fahrzeuge sollen über die Kfz-Steuer komplett entlastet werden. Uns werden somit nicht die Einnahmen in der möglichen Größenordnung von vier Milliarden Euro zur Verfügung stehen, was nützlich wäre, um die Löcher zu stopfen. Die tatsächlichen Einnahmen werden sehr viel niedriger sein. Dazu kommt der Vorwurf der Diskriminierung von ausländischen Autofahrern.

Ist die Gesetzesvorlage unseriös?

Die Ausländer-Maut in dieser Form ist eine Totgeburt. Sie ist nicht nur wirtschaftlich gesehen Quatsch, sondern wir könnten auch ein juristisches Nachspiel erleben. Einige Nachbarländer wollen klagen. Wir müssen also annehmen, dass dieses Gesetz beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen wird. Das Risiko für Deutschland, dort zu verlieren, ist groß.

Sie plädieren also dafür, deutsche Autofahrer zur Kasse zu bitten?

Ja, es müsste eine generelle Pkw-Maut für alle geben, entweder nach gefahrenen Kilometern berechnet oder in Form einer Vignette zum Preis von 80 bis 100 Euro für die Nutzung der Fernstraßen. Österreich macht es uns vor, wie man so das Problem der Straßenfinanzierung erfolgreich lösen kann. Ich finde, 100 Euro im Jahr kann man für die Autobahnnutzung zahlen, ohne dass finanzielle Schieflagen entstehen.

Kritiker der Maut sagen, dass sie weniger Geld einbringen wird als die Regierung erwartet. Wie ist Ihre Prognose?

Das Ministerium erwartet jährliche Bruttoeinnahmen von 700 Millionen Euro. Ich halte Einnahmen nur in der Größenordnung von 350 Millionen Euro für realistisch. Davon müssen wir 200 Millionen Euro Ausgaben für die Erhebung abziehen. Wenn man den einmaligen Aufwand mit hinein rechnet, wären wir bei jährlichen Ausgaben von 250 Millionen.

Würde sich dann der Maut-Aufwand überhaupt noch lohnen?

Nein. Er lohnt sich auch bei Einnahmen von 700 Millionen nicht, wenn man berücksichtigt, welche Bürokratie dafür aufgebaut werden muss. Wir könnten auf einen Schlag 600 Millionen Euro mehr im Jahr haben, wenn wir die Mineralölsteuer ohne Aufwand um einen Cent erhöhen.

Hat sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt verkalkuliert?

Ich kann darüber nur spekulieren: Für ihn ist die Maut sein zentrales Projekt, sein Meisterstück, das er abliefern muss, um vielleicht in Zukunft Ministerpräsident in Bayern zu werden. Darum wird die Maut als eine Erfolgsidee dargestellt. Ich bin aber nicht der einzige Kritiker dieses Projekts und ich habe bei meinem Auftritt im Haushaltsausschuss des Bundestages erlebt, mit welch betretenen Gesichtern die Abgeordneten dort sitzen. Offensichtlich sind sie nicht ganz von dem Gesetz überzeugt, für das sie stimmen sollen.

Ist das neue, gestaffelte Mautmodell einfach genug für Ausländer, um es zu verstehen?

Nein, es ist in der Tat für Ausländer zu komplex. Es bestehen zusätzliche Einnahmerisiken, weil es nicht durchgerechnet, sondern aus dem Handgelenk geschüttelt wurde. Eine Zehntages- oder Zweimonats-Vignette nochmals nach Hubraum und Schadstoffausstoß zu differenzieren, ist doch absurd. Die ganze Staffelung der Vignettenpreise ist allein eine Konsequenz der Idee, die Deutschen zu entlasten. Solch eine feine Differenzierung der Mautgröße ist gar nicht sinnvoll, wenn man einfach nur Einnahmen erzielen will.

Wird die Kfz-Maut Auswirkungen auf unseren Grenzverkehr haben?

In unserer Region eher nicht, da die Ausländer auch andere Straßen als Autobahnen ohne Probleme nutzen könnten, um zu uns zu kommen. Aber in anderen Grenzregionen könnte sich der Verkehr nachhaltig von den Autobahnen auf andere Straßen verlagern, so dass es dort zu mehr Staus und Unfällen kommt.

Die Maut soll schon 2016 kommen, ist diese Zeitplanung realistisch?

Das ist sportlich. Man hat das Gesetz im Galopp durch den Bundestag getrieben. Die Technik ist nicht das Problem, die bürokratische Umsetzung dagegen schon. Man muss die Betreiberfunktion europaweit ausschreiben, es gibt schon Bewerber. Es könnte zu Konkurrentenklagen kommen, die das Ganze verzögern.