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Wahlkampf in Zeiten des Terrors

Politik / Lesedauer: 3 min

Gewaltherrschaft und Demokratie in Nigeria: Während Boko Haram Angst und Schrecken verbreitet, kämpft Präsident Goodluck Jonathan um sein Amt
Veröffentlicht:27.03.2015, 17:50

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Es herrscht Wahlkampf in Nigeria. Und „Kampf“ – das ist im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas wörtlich zu nehmen. So etwa im Heimatdorf der Präsidentengattin: Dort beendeten Schüsse und Bomben einen Auftritt der Opposition. Die politischen Lager sind verfeindet: Auf der einen Seite die regierende Demokratische Volkspartei (PDP) von Präsident Goodluck Jonathan. Der 57-Jährige bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Auf der anderen Seite der Progressive Kongress (APC) um den 72-jährigen Herausforderer Muhammadu Buhari , der Nigeria von 1983 bis 1985 schon einmal als Militärherrscher regiert hat. Erst am Donnerstag unterzeichneten beide Spitzenpolitiker ein „Friedensabkommen“. Ein knappes Ergebnis bei der Präsidentenwahl an diesem Samstag dürfte die Gewalt dennoch befeuern – und ein knappes Ergebnis gilt als wahrscheinlich.

Eigentlich hätten die Nigerianer schon am 14.Februar abstimmen sollen. Doch die Wahl wurde auf Druck des Militärs auf diesen Samstag verschoben. Präsident Jonathan begründete dies mit dem Kampf gegen die Miliz Boko Haram , die den Nordosten des Landes terrorisiert. Kritiker vermuteten eher ein Manöver, um eine drohende Wahlschlappe abzuwenden. Schließlich hat auch ein Aufschub der Wahl um sechs Wochen die Unruhen nicht beendet.

Plötzlich lauter Erfolgsmeldungen

Jonathan hatte an einer Lösung des Konflikts im Nordosten lange Zeit wenig Interesse gezeigt. Seit Mitte Februar nun verbreitet das Militär eine Erfolgsmeldung nach der anderen – und schon steigen die Chancen des Präsidenten auf eine Wiederwahl. Dass die Nachbarn Tschad und Niger mit eigenen Soldaten Boko Haram auf nigerianischem Boden bekämpfen, verschweigt die Regierung lieber. Und der Terror geht weiter: Öffentlichkeitswirksam hat Boko Haram sich dem Islamischen Staat (IS) angeschlossen. Gerade erst haben die Kämpfer bis zu 500 Kinder und Frauen aus der Stadt Damasak verschleppt. Dabei hatte das Militär den Ort Mitte März eigentlich unter Kontrolle gebracht. Bereits im Mai 2014 hatten Boko-Haram-Kämpfer 276Schulmädchen in der Stadt Chibok entführt. Nur 53 von ihnen gelang später die Flucht. Die Tat führte zu der internationalen Kampagne „Bring back our girls“ („Bringt unsere Mädchen zurück“). Die vielen weniger spektakulären Entführungsfälle schaffen es indes kaum in die Schlagzeilen.

Die Unfähigkeit der Regierung, ihre Bürger zu schützen, bringt viele Menschen im Norden gegen Jona-than auf. Oppositionsführer Buhari präsentiert sich als tatkräftigere Alternative. Anders als Jonathan, der aus dem christlich geprägten Süden des Landes stammt, ist Buhari Muslim. Seine Machtbasis ist der Norden des Landes. Die Regierung unterstellt ihm eine Nähe zu islamischen Fundamentalisten. Schließlich forderte er noch im Wahlkampf 2011 die Einführung der Scharia.

Amtsinhaber Jonathan hat durchaus Erfolge vorzuweisen. Nigeria ist unter seiner Führung zur größten Volkswirtschaft Afrikas aufgestiegen. Das Wirtschaftswachstum beträgt sechs bis acht Prozent pro Jahr. Aber das Geld versickert in den Taschen einer reichen Elite.

Öl verseucht ganze Landstriche

Grundlage des Wachstums ist vor allem der Export von Rohöl, der nur wenige Arbeitsplätze schafft und verheerende ökologische Folgen hat. Das Nigerdelta, in dem Konzerne wie Shell, ExxonMobil, Chevron und Total aktiv sind, gilt als eines der am schlimmsten verseuchten Gebiete der Welt. Auch hier gibt es Milizen, die den Kampf gegen die Regierung wieder aufnehmen könnten.

Sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit der Stimmen bekommen, müsste es laut Verfassung binnen sieben Tagen eine Stichwahl geben. Dieses Szenario, das durchaus möglich erscheint, würde die Wahlkommission nach Ansicht von Experten organisatorisch überfordern.