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Kommentar zu Manchester: Verwundbar trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen

Politik / Lesedauer: 2 min

Kommentar zu Manchester: Verwundbar trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen
Veröffentlicht:23.05.2017, 12:22

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Der verheerende Anschlag auf einem Popkonzert in Manchester trifft eine lebendige, vielseitige, multikulturelle und tolerante Metropole, die sich in vielerlei Hinsicht mit der Hauptstadt London messen kann.

Manchester hat als Wiege der Industriellen Revolution die Geschichte unserer Zivilisation geschrieben. Seine Universitätsforschung ist, vor allem was die Naturwissenschaften angeht, Weltklasse-Niveau. Die brillante Kulturszene der Stadt hat Bands wie Bee Gees, Oasis und Elbow hervorgebracht. Mit dem Viertel Gay Village hat sich Manchester so früh und so offen zu Homosexualität bekannt wie kaum eine andere Stadt im Inselkönigreich. Das ist wohl als Erstes nach dem Anschlag festzuhalten: Der Terrorismus wird die Lebensfreude der „Mancunians“ sicher nicht vernichten, die Stadt mit 500 000 Menschen wird sich von Selbstmordattentätern nicht unterkriegen lassen.

Zumal Manchester den Terror aus eigener Geschichte gut kennt. 1996 war hier in der Innenstadt eine Bombe der Terrororganisation IRA explodiert, es gab keine Tote, aber mehr als 200 Verletzte. Wenn in England Städte auf diese Weise angegriffen werden, dann leben deren Bürger nach der trotzigen Devise „Jetzt erst recht!“ und vertrauen auf die Fähigkeiten des Staates, die terroristischen Netzwerke im Land zu überwachen und zu zerschlagen. Diese gehen heute über die entsprechenden Kapazitäten der deutschen Polizei und Geheimdienste weit hinaus.

Die Briten haben eine umfassendere elektronische und Video-Überwachung als in Deutschland, ihre Polizei ist mit modernerer Technik ausgestattet, die Rettungsdienste sind besser für Terror-Notfälle trainiert, als Mitgliedsland der sogenannten „Five-Eyes-Allianz“ greifen sie im vollen Umfang auf die Geheimdienstdaten der USA. In den vergangenen Jahren wurden in Großbritannien zahlreiche terroristische Attacken verhindert. Das ist die zweite Schlussfolgerung nach dem Anschlag von Manchester: Es kann bekanntlich keine absolute Sicherheit geben, doch der gut gerüstete britische Staat muss dennoch seine Anti-Terror-Maßnahmen auf den Prüfstand stellen. Die Briten müssen sich auf größere Einschränkungen und schärfere Kontrollen bei öffentlichen Veranstaltungen gefasst machen.

Die britische Regierungschefin Theresa May besitzt als frühere Innenministerin die fachliche Kompetenz, in Krisen dieser Art besonnen zu handeln. Die konservative Politikerin steht innerparteilich nicht unter Druck, sich mitten im Wahlkampf für die vorgezogene Unterhauswahl in überzogenen Aktionismus zu stürzen, da ihre Partei ohnehin am 8. Juni die schwache Labour-Konkurrenz mühelos schlagen kann. May wird allerdings bald die Frage der britischen Öffentlichkeit beantworten müssen, ob der Brexit in Zukunft nicht die Terrorismusabwehr im Königreich erheblich schwächen könnte. Vielleicht wird der Anschlag von Manchester die britische Regierung dazu bewegen, eine allzu harten Trennung mit Europa zu vermeiden und mit den Geheimdiensten und Polizeibehörden der EU-Nachbarn weiterhin eng zu kooperieren.

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