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Russlands Jugend wartet auf bessere Zeiten

Politik / Lesedauer: 3 min

Russlands Jugend wartet auf bessere Zeiten
Veröffentlicht:14.09.2016, 14:38

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Acht von zehn jungen Russen würden gerne Wladimir Putin bis 2024 an der Macht sehen. In einer anderen Umfrage bezeichneten Studenten den starken Mann im Kreml als den größten Patrioten ihres Landes, vor dem Zar Peter dem Großen und dem kommunistischen Tyrannen Jossif Stalin. Es ist, als hätte ein Teil der neuen Generation Russlands, die in postsowjetischer Freiheit aufgewachsen ist, seine liberalen Ideale gegen das Versprechen von Wohlstand in einer autoritären Scheindemokratie eingetauscht.

„Die Jugend zählt heute zu den stärksten Befürwortern des Systems. Sie will gut leben“, sagt der Soziologe Lew Gudkow. Aber das war nicht immer so. Ein neues Buch, „Generation Putin – Das neue Russland verstehen“, beschreibt den teils radikalen Wandel in den jungen Köpfen, seit 2012 Tausende Demonstranten in Moskau gegen die Rückkehr Putins an die Staatsspitze protestiert haben.

Geschrieben hat es Benjamin Bidder , geboren 1981, Ex-Korrespondent von Spiegel Online in Russland. Sein Werk ist eine spannende und leidenschaftliche Studie von jungen Menschen auf der Suche nach ihrem Platz im Auge des politischen Sturms.

Marat interessiert sich nicht für Politik, dafür erklimmt er gerne Wolkenkratzerdächer, um in schwindelerregender Höhe das Gefühl der Freiheit auszukosten. Die Studentin Lena schließt sich der nationalistischen „Kreml-Jugend“ an in der Hoffnung, eine politische Karriere im System Putin machen zu können. Wera ist eine Rebellin, die sich aktiv der Korruption und Ungerechtigkeit widersetzt. Drei unterschiedliche Lebensgeschichten, eine große Frage im Hintergrund: Was braucht die „Generation Putin“, um glücklich zu sein, während ihre Heimat gerade eine politische Transformation durchmacht?

Kampf der „Polit-Technologien“

Das Verhältnis Russlands zum Westen ist seit der Krim-Annexion 2014 stark abgekühlt. Der international weitgehend isolierte Präsident Putin setzt auf den Aufschwung des aggressiven Nationalismus, um von seinen innenpolitischen Misserfolgen und der allgegenwärtigen Korruption abzulenken. Benjamin Bidders exzellente Analyse der russischen Realität zeigt detailliert die Mechanismen der Manipulierung der Öffentlichkeit mit dem Ziel, die Opposition aus dem Weg zu schaffen. Die jungen Russen stehen in diesem Kampf der „Polit-Technologien“, wie im heutigen Russland die Propaganda heißt, auf beiden Seiten der Barrikaden.

Es ist ein ungleicher Kampf. Der Staat hat viel größere Ressourcen und er geht gegen Andersdenkende bisweilen mit großer Brutalität vor. Wie Wera geben viele Idealisten auf, kehren gar ihrer Heimat den Rücken. Es sei die „auswendig gelernte Hilflosigkeit“, die sie in die Ukraine getrieben habe, klagt die junge Frau.

Andere, wie Marat, bringen es nicht übers Herz, Russland zu verlassen – und ziehen es vor, das Putin-System so gut es geht zu ignorieren. Sie schauen in die Zukunft mit einem „diffusen Optimismus“, dass ihre Generation eines Tages die Kraft finden würde, das Ruder herumzureißen, ehe es für Russland zu spät ist. Das wäre jedoch ein ganz anderes Buch.

Benjamin Bidder „Generation Putin – Das neue Russland verstehen“, DVA Verlag, 336 Seiten, 16,99 Euro.