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Strandferien

Ökostrom für grüne griechische Inseln

Politik / Lesedauer: 4 min

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will Regierung in Athen im Kampf um eine bessere Zukunft helfen
Veröffentlicht:01.07.2016, 19:24

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Griechenland - das bedeutet für jährlich 2,5 Millionen deutsche Urlauber Strandferien mit viel Sonne und Wind. Doch statt Fotovoltaik und Windkraft ist auf den meisten griechischen Inseln immer noch Diesel der Hauptenergielieferant. Nur 21 von 53 Inseln sind heute ans Stromnetz angeschlossen. Das soll sich aber bald ändern.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein griechischer Kollege George Stathakis haben am Freitag in Athen einen Kooperationsvertrag über erneuerbare Energien unterzeichnet. Bis 2018 soll es in Griechenland „grüne Inseln“ geben. Dabei wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit Mitteln aus ihrem 100-Millionen-Euro-Wachstumsfonds helfen. Denn nicht nur Grüne wie Rezzo Schlauch, der in der 40-köpfigen Wirtschaftsdelegation von Gabriel in Athen mit dabei ist, fragen sich, warum die KfW in Griechenland ausgerechnet ein neues Braunkohlekraftwerk förderte.

Brexit hat vieles verändert

Der Besuch Gabriels und einer Wirtschaftsdelegation in Athen war lange geplant. Doch vor dem Hintergrund der britischen Brexit-Entscheidung haben sich die Vorzeichen geändert. Die meisten europäischen Politiker wollen verhindern, dass noch ein weiterer Baustein aus der EU herausbricht. Der drohende Grexit, das Austreten Griechenlands aus dem Euro-Raum, erscheint deshalb wie ein Szenario aus einer fernen Vergangenheit, ein weiterer Schuldenschnitt rückt dagegen näher.

Gabriel ist nach seinen Gesprächen mit Ministerpräsident Tsipras und dem griechischen Wirtschaftsminister voll des Lobes für das Land. Er erinnere sich noch, sagt er, welche Aggressivität früher in Deutschland gegen Griechenland geherrscht habe. Das sei heute anders. Schließlich hätten die Griechen sich auch richtig angestrengt und Reformen durchgeführt, „gegen die die Agenda 2010 nur ein laues Lüftchen“ gewesen sei.

Als Gabriel seine Einschätzung der deutschen Stimmungslage vor Tsipras’ Sitz in Athen vor der Presse kundtut, steht der CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer hinter ihm und schaut ungläubig. Ramsauer hat vor Jahr und Tag gegen immer weitere Hilfen für Griechenland gewettert. Hat der Brexit seine Einschätzung verändert? Würde er heute freundlicher umgehen mit Griechenland? „Ganz im Gegenteil“, sagt Ramsauer, er würde genau darauf achten, dass die Zusagen eingehalten werden. Durch den Brexit gäbe es doch „einen Aufpasser weniger“ in Europa.

Neben ihm steht Klaus Peter Willsch, früher als CDU-Rebell in Sachen Europolitik bekannt. Der fragt nur: „Haben Sie nicht mein Mienenspiel beobachtet?“ Das haben die Journalisten, und sie haben gesehen, wie schmerzhaft sich Willschs Gesicht verzog, als Gabriel von eine verbesserten Stimmungslage gegenüber den Griechen berichtet hat. Willsch sagt: „In Griechenland hat sich bis jetzt gar nichts groß verändert.“

Die Zahlen geben ihn Recht. Es ist schwierig, außerhalb der Tourismusbranche wirkliche Fortschritte zu sehen. Die Wirtschaft klagt über bürokratische Hürden, die Rentner über Kürzungen, Kapitalverkehrskontrollen wirken sich auf den griechischen Export aus. „Der einzige Fortschritt, den es gibt, ist, dass statt zwölf unnötiger Vorschriften nur noch sechs unnötige Vorschriften da sind“, sagt ein Delegationsmitglied.

Aus den Töpfen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) flossen bislang 16 Milliarden an die Regierung in Athen und 5,4 Milliarden an die Banken. Viele Reformen wurden umgesetzt, doch Griechenland leidet unter dem Investitionsmangel. Vor allem aber leidet die Jugend. Über 50 Prozent sind arbeitslos.

Gemeinsames Bewusstsein

Gabriel führt deshalb ein von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiertes Gespräch mit jungen Leuten. In der Altstadt Athens, in einem geschmackvollen Haus, wo sich sonst die Gründerszene trifft, diskutieren 20 Jugendliche mit dem Bundeswirtschaftsminister. Amerissa Giannouli ist eine von ihnen. Die 25-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin, die als Jugendarbeiterin unterwegs ist, möchte, dass ein gemeinsamen europäisches Bewusstsein wächst. „Man muss den jungen Leuten und ihren Träumen besser zuhören“, wünscht sie sich.

Der Student Nikos Frantzeskakis hofft: „Wir haben doch nach dem Brexit eine neue Ära in Europa. Die Nord-Süd-Probleme müssen gelöst werden“. Doch auf die Frage, was die wichtigste Botschaft wäre, spricht der 20-Jährige nicht die Deutschen oder die Europäer, sondern Griechenland an. Neue Firmen müssten im ersten Jahr 80 Prozent Steuern zahlen, deshalb würden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Das zu ändern sei das Wichtigste.

Mit Finanzminister Efklidis Tsakalotos trifft Gabriel zum Ende des Athen-Besuchs zusammen. Gabriel hat in Griechenland die Botschaft im Gepäck, dass Sparen das eine sei - und Investitionen das andere. Und dass Griechenland beides dringend brauche.

Dass das alles aber nicht hilft, wenn nicht gleichzeitig Strukturreformen gemacht werden. „Das Fiskalthema ist abgearbeitet“ sagt Gabriel beim Empfang der deutsch-griechischen Handelskammer am Abend. Die Griechen hören es gerne.