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Visafreiheit

Europa ringt um Quoten und Notbremsen

Politik / Lesedauer: 3 min

Die EU-Kommission will Visafreiheit für Türken regeln und die Verteilung von Flüchtlingen reformieren
Veröffentlicht:03.05.2016, 21:10

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Zwei heiße Eisen will die EU-Kommission am heutigen Mittwoch anpacken: Die Visafreiheit für türkische Staatsbürger und die Reform des Systems, nach dem Flüchtlinge in der EU verteilt werden (Dub-lin-Verordnung).

Die türkische Regierung räumte eine Hürde aus dem Weg, um das Visaabkommen zu ermöglichen: Sie hob die Visumpflicht für griechische und zypriotische Staatsbürger auf. Unklar ist, ob eine Klausel in das Abkommen aufgenommen wird, die Deutschland und Frankreich vorgeschlagen hatten. Dabei geht es um eine Notbremse: Falls zu viele Türken in die EU einreisen – zum Beispiel Kurden, die der politischen Verfolgung in der Heimat entgehen wollen – würde die Visumspflicht wieder eingeführt. Die Türkei will eine solche Notbremse nicht akzeptieren.

Auch bei der Dublin-Reform sind die Mitgliedsstaaten uneins. Bisher ist jenes Land für die Betreuung eines Flüchtlings zuständig, wo er zuerst europäischen Boden betreten hat. Das führte zu mehr Belastung von Randstaaten als von Binnenstaaten. Die Kommission hatte zunächst zwei Modelle zur Diskussion gestellt: Alle Flüchtlinge könnten künftig per Quote verteilt werden, je nach Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft und bereits aufgenommenen Flüchtlingen. Oder das Dublin-System würde beibehalten und mit einer „Quoten-Notbremse“ versehen, die erst gezogen werden soll, wenn eine bestimmte Jahresobergrenze an Flüchtlingen für ein Land erreicht ist.

Unter den Binnenländern befürwortet nur Deutschland die reine Quotenlösung. Vor allem die Osteuropäer wollen an der bestehenden Regelung festhalten und keine Notbremse akzeptieren. Selbst wenn die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag vorlegt, dürfte sich der Streit um die Umsetzung noch hinziehen. Das Gesetz muss von den Regierungen und dem EU-Parlament gemeinsam beschlossen werden.

Umverteilung ist gescheitert

Viele EU-Regierungen haben deutlich gemacht, dass sie über die Zusage vom vergangenen September hinaus keine Flüchtlinge mehr aufnehmen und auch keine automatische Umverteilung akzeptieren wollen.

Damals hatten sich die Länder einmalig verpflichtet, Griechenland, Ungarn und Italien innerhalb von zwei Jahren 160000 Flüchtlinge abzunehmen. Ungarn hatte die Hilfe abgelehnt und seine Grenze mit Stacheldraht gesichert. Acht Monate später haben nur wenige Menschen aus griechischen und italienischen Lagern ein neues Aufnahmeland gefunden, obwohl die EU-Kommission gehofft hatte, die Vereinbarung könne als Modell für einen dauerhaften Umverteilungsmechanismus dienen. Die Slowakei und Ungarn, die damals überstimmt wurden, haben den Europäischen Gerichtshof angerufen, um den Beschluss rückgängig zu machen.

Schon im Mai 2015 hatte Kommissionspräsident Juncker gefordert, Randstaaten mit einem Quotensystem zu entlasten. Auch solle die EU jedes Jahr 20000 Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen. Doch als die EU-Kommission vor einem Monat einen Versuch startete und den Mitgliedsstaaten mehrere Reform-Varianten zur Diskussion stellte, war die Reaktion eindeutig.

Der tschechische EU-Minister Tomas Prouza twitterte: „Schon wieder Quoten? Wie lange will die EU-Kommission dieses tote Pferd noch reiten, statt Vorschläge zu machen, die wirklich weiterhelfen?“ Ein Quotensystem, davon sind die meisten osteuropäischen Regierungen heute überzeugt, würde die Lage nicht verbessern.