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Der große Leerstand

Politik / Lesedauer: 3 min

Terror und politische Krisen haben negative Folgen für die türkische Reisebranche
Veröffentlicht:06.03.2017, 20:52

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Erst vor einem Monat präsentierte Recep Tayyip Erdogan einen Vorschlag, wie der Tourismusbranche in seinem Land geholfen werden könnte. Der türkische Staats-chef will die rund fünf Millionen Auslandstürken in aller Welt als Tourismus-Werber einsetzen. Auch die 1,5 Millionen Türken in der Bundesrepublik sollten ihre deutschen Bekannten für einen Besuch in der Heimat gewinnen. Doch der neue Tiefpunkt im türkisch-deutschen Verhältnis dürfte dieser Initiative den Garaus gemacht haben.

Jahrelang waren die Deutschen die treuesten Touristen der Türkei – und die größte Kundschaft. Noch im vorletzten Jahr reisten 5,6 Millionen deutsche Urlauber in die Türkei, das war Spitze vor den Russen mit 3,6 Millionen und den Briten mit 2,5 Millionen. Seit der Beginn der Anschläge in der Türkei im Sommer 2015 gehen diese Zahlen zurück – eine Entwicklung, die sich mit der Eskalation der Gewalt beschleunigt hat. Um ein Drittel brachen die Besucherzahlen 2016 ein, als knapp 3,9 Millionen Deutsche in die Türkei kamen.

Hatten Investoren wie Beschäftigte noch gehofft, dass 2017 die Wende bringen werde, so machte der Terroranschlag auf eine Disko in Istanbul dieser Hoffnung noch in der Neujahrsnacht ein Ende. In Antalya fiel die Zahl der deutschen Besucher im Januar und Februar dieses Jahres noch einmal um die Hälfte gegenüber dem ohnehin schwachen Vorjahr; im Vergleich zum vorletzten Jahr bedeutet das einen Einbruch um fast zwei Drittel. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Für den Sommer in der Türkei liegen nach Informationen deutscher Veranstalter fast 60 Prozent weniger Buchungen aus Deutschland vor als noch im Vorjahr.

Die Abwesenheit der Deutschen wird nur zum Teil aufgefangen durch eine Erholung der russischen Besucherzahlen, die im Streit um den Abschuss eines russischen Flugzeuges durch die Türkei um fast 80 Prozent zusammengebrochen waren. Der Zuwachs um über 3400 Prozent im Februar wird relativiert durch den überaus schwachen Vergleichsmonat des Vorjahres wegen des russischen Türkei-Boykotts. Damals kamen 360 russische Touristen nach Antalya.

Viele Hotels an der türkischen Riviera wollen deshalb in diesem Jahr gar nicht öffnen. Schon in der Wintersaison blieb die Hälfte von ihnen geschlossen, rund 20 Prozent wollen nach Einschätzung von Hoteliers auch im Sommer geschlossen bleiben. Hart getroffen ist auch Istanbul, wo die Besucherzahl im Januar noch einmal um 20 Prozent einbrach.

Wie leergefegt von westlichen Touristen wirkt die Altstadt, wo chinesische Reisegruppen neben Sicherheitskräften am meisten auffallen. Auf dem Großen Basar verdecken Planen die Läden, die schließen mussten, weil kaum Kreuzfahrtschiffe in Istanbul anlegen. Die Istanbuler Hotels vermelden über 50 Prozent Leerstand, viele Restaurants in der Altstadt schließen abends, ohne einen Gast bewirtet zu haben.

„Drei Viertel unserer Belegschaft sind schon entlassen“, berichtet der Oberkellner in einem Hotelrestaurant in der Altstadt. Landesweit verlor nach Schätzung einer Tourismus-Gewerkschaft schon im vergangenen Jahr rund eine halbe Million Menschen ihre Beschäftigung im Tourismussektor.