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Berlin hofft auf Freilassung Steudtners

Politik / Lesedauer: 2 min

Prozess gegen deutschen Menschenrechtler beginnt in Istanbul
Veröffentlicht:23.10.2017, 21:18

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Er spielt Schach mit seinen Zellengenossen, hält sich mit Yoga fit und singt abends Lieder, von denen er weiß, dass sie zur selben Zeit von seiner Kirchengemeinde in Berlin bei Andachten für ihn gesungen werden: Seit Juli sitzt der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner in der Türkei in Untersuchungshaft. Am Mittwoch beginnt der Strafprozess gegen ihn und andere Beschuldigte, darunter Vertreter von Amnesty International.

Für das Verfahren wird der 45-Jährige erstmals seit seiner Inhaftierung das Gefängnis Silivri westlich von Istanbul verlassen: Mit anderen Häftlingen wird er zum rund 80 Kilometer entfernten Justizpalast im Stadtteil Caglayan gebracht. Von den insgesamt elf Angeklagten, darunter Idil Eser, die Türkei-Chefin von Amnesty International , sitzen acht in Untersuchungshaft. Ihnen drohen jeweils fünf bis zehn Jahre Haft.

Die Staatsanwaltschaft hält Steudtner und die anderen Beschuldigten für staatsfeindliche Verschwörer. In der Anklageschrift wird ihnen vorgeworfen, bei einem Workshop auf der Insel Büyükada Anfang Juli für das Netzwerk des islamischen Predigers Fethullah Gülen intrigiert und gleichzeitig die kurdische Terrorgruppe PKK und die linksextreme Organisation DHKP-C unterstützt zu haben. Als Beweismittel führt die Staatsanwaltschaft eine Karte aus einem Sprachenatlas des Nahen Ostens an, die zeigen soll, dass die Teilnehmer des Seminars die Aufspaltung der Türkei anstrebten. Anders als bei vielen anderen Verfahren gegen angebliche Staatsfeinde im Zuge der Festnahmewelle gegen mehr als 150 000 Menschen seit dem Putschversuch gibt es im Fall Steudtner die Hoffnung auf eine baldige Freilassung. Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte sich angesichts der Spannungen, die Steudtners Inhaftierung zwischen der Türkei und Deutschland ausgelöst hat, für ein schnelles Verfahren eingesetzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte jedoch mit einer öffentlichen Vorverurteilung der angeklagten Menschenrechtler dem Gericht eine klare Botschaft geschickt: Kurz nach der Festnahme der Menschenrechtler warf Erdogan den Teilnehmern des Workshops auf Büyükada vor, sie hätten einen neuen Putschversuch vorbereiten wollen. In den kommenden Wochen wird ein Grundsatzurteil des Europäischen Menschenrechtsgerichts in Straßburg zur Inhaftierung von Journalisten in der Türkei erwartet – die Entscheidung dürfte zu einem Testfall für die Bereitschaft der türkischen Regierung werden, europäischen Prinzipien zu folgen.

Besuch für Mesale Tolu

Vertreter der Bundesregierung haben am Montag die in der Türkei inhaftierte deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu im Gefängnis besucht. Die Bundesregierung freue sich über die Möglichkeit, sich über Tolus Wohlergehen und die Haftbedingungen zu informieren, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin mit.