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Panorama / Lesedauer: 4 min

Reptilien können Salmonellen übertragen – besonders gefährlich ist das für Kleinkinder
Veröffentlicht:27.03.2017, 18:52

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Übelkeit, Kopfschmerzen und schlimmer Durchfall – wer damit zum Arzt geht und gefragt wird, ob er vielleicht eine Schlange im Haushalt habe, macht wohl auf dem Absatz wieder kehrt. Doch die Frage ist begründet: Viele Reptilien tragen exotische Salmonellenstämme in ihrem Verdauungstrakt. Rutschen oder laufen die Tiere dann aber über ihren eigenen Kot, gelangen die Bakterien auf deren Haut – und damit schnell zum Menschen. Besonders für kleine Kinder kann das gefährlich werden.

Gefährliches Kuscheln

Den Reptilien selbst macht ihre Salmonelleninfektion in der Regel nichts aus. Daher können Reptilienhalter ohne spezielle Untersuchung nicht feststellen, ob ihr Tier betroffen ist oder nicht. Oft sind ganze Züchtungen von den gleichen Salmonellen befallen. Die Tiere geben die Bakterien auch auf Reptilienmessen oder im Handel an andere weiter. Sogar andere Haustiere wie Katzen oder Hunde können sich bei den Reptilien anstecken – und die Erreger dann beim Kuscheln an die Halter weitergeben. Während gesunde Erwachsene sich nur mit den sehr unangenehmen Folgen einer Salmonellenerkrankung herumschlagen müssen, kann die Infektion für Kinder unter zwei Jahren und alte Menschen lebensbedrohlich sein. Weil das Immunsystem in diesen Altersgruppen schwächer ist, erkranken sie besonders schnell. In seltenen Fällen kann das auch zum Tod führen. In Österreich starb beispielsweise ein einjähriges Kind an einer Salmonelleninfektion. In der Familie lebten auch ein Waran und ein Blauzungenskink. „Das Kind hatte zwei Salmonellen. Im Herzblut wurden andere Salmonellen festgestellt als im Darm. Und beide hat man auch bei den Reptilien gefunden“, erzählt Wolfgang Rabsch , Experte für Salmonellen am Robert-Koch-Institut (RKI) in Wernigerode (Sachsen-Anhalt). Dorthin werden die exotischen Salmonellenstämme, von den Experten auch Serovare genannt, geschickt, wenn andere Labore sie zuvor nicht bestimmen konnten. Die Stämme tragen Namen wie Salmonella Johannisbourg oder Salmonella Minnesota, je nach dem Ort ihrer Entdeckung. Durch die genaue Bestimmung und ihre exotische Herkunft können die Experten des RKI zuordnen, ob die Salmonellenerkrankung von einem Lebensmittel stammt oder von einem Reptil.

Die allermeisten Salmonelleninfektionen werden immer noch durch verseuchte Lebensmittel ausgelöst. Doch die Anzahl der Infektionen durch Reptilien steigt, sagt Rabsch. Laut den neuesten Zahlen aus dem Jahr 2015 wurden insgesamt rund 900 Fälle von Salmonellenerkrankungen bei unter Zweijährigen in Deutschland gemeldet. 210 davon wurden zur näheren Bestimmung zum RKI geschickt. 84 Fälle waren schließlich Salmonellenstämmen zuzuordnen, die wohl von Reptilien übertragen wurden. Immerhin fast zehn Prozent aller Erkrankungen bei unter Zweijährigen also. 2012 lag diese Quote noch bei rund acht Prozent. Die Fälle verteilen sich über ganz Deutschland. Auch in Staig bei Laup-heim wurde ein neun Monate altes Kind von einer Bartagame mit den Bakterien angesteckt.

Dass sich ein Kind bei einem Reptil ansteckt, liege vor allem an unsachgemäßer Haltung, sind sich Rabsch und Nicolá Lutzmann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) einig. „Reptilien in das Kinderbettchen zu legen, nur weil das auf dem Foto so gut aussieht, ist nicht artgerecht“, sagt Lutzmann. Er glaubt aber, dass die meisten Reptilienhalter sich der Salmonellengefahr bewusst seien. „Bevor man sich so ein Tier anschafft, informiert man sich und liest zumindest mal ein Buch.“ Zudem weise die DGHT in einer Infobroschüre und in ihrer Mitgliederzeitschrift regelmäßig auf die Thematik hin.

Während der Forscher Rabsch empfiehlt, in Haushalten mit Kindern unter fünf Jahren gar keine Reptilien zu halten, vertraut Lutzmann auf artgerechten Umgang mit den Tieren. „Reptilien sind nicht die klassischen Haustiere mit denen man kuscheln oder denen man ein Küsschen geben sollte“, sagt er. Händewaschen sei nach dem Umgang mit Reptilien selbstverständlich. Auch sollten Pinzetten oder Lappen, die zur Pflege und Fütterung benutzt werden, streng getrennt von anderen Haushaltsgegenständen aufbewahrt werden. Und das Wichtigste: „Die Kinder können die Reptilien anschauen, aber nicht anfassen“, sagt Lutzmann. Würden diese Sicherheitsvorkehrungen eingehalten, wäre nicht nur das Ansteckungsrisiko sehr gering, auch die Tiere würden dann nicht unter der unsachgemäßen Haltung leiden.