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Nachruf

Zum Tod von Rocklegende Chuck Berry

Kultur / Lesedauer: 4 min

Chuck Berry ist im Alter von 90 Jahren gestorben - Vorbild für viele Musiker
Veröffentlicht:19.03.2017, 17:14

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„Zieh Leine Beethoven und erzähle Tschaikowsky diese Neuigkeit!“ Eine seltsame Zeile? Das Intro eines der weltbekanntesten Stücke der Rockgeschichte, das im Originaltext „Roll over Beethoven“ heißt und als Musik-Denkmal nur noch mit „Satisfaction“ gleichzusetzen ist. Geschrieben und intoniert hat es Charles Edward Anderson Berry , der unter seinem Kurznamen Chuck zur Ikone geworden ist und am Wochenende im seligen Alter von 90 Lenzen für immer friedlich die Augen schloss. Das ist nicht vielen Rock-Göttern vergönnt und lässt auf ein ebenso sanftes wie friedliches Leben schließen.

Markenzeichen Duck Walk

Chuck Berry war weder sanft noch friedlich. Er war nach Meinung des brillanten Rock-Historikers Nik Cohn „möglicherweise der beste aller Rock’n Roller“, was nicht nur angesichts seines Ablebens wohl kaum jemand bezweifeln möchte. Sondern er war auch – wie so viele Große – ein ziemlich gewöhnungsbedürftiger Typ. Er war sowohl musikalisch wie auch von den Texten her genial – und er war geizig, kratzbürstig, phasenweise unausstehlich und scherte sich im Zweifelsfall einen Dreck um sein Publikum, das er im Zweifelsfall auch schon mal nach 50 Minuten im Stich ließ und sich von der Bühne verzogt Sein „Duck Walk“ mit dem er augenzwinkernd über die Bühne schlurfte, war bald ebenso sprichwörtlich wie sein ausgeprägter Erwerbssinn und seine schlechte Laune. Chuck Berry hat die ganzen großen Rock’n Roller beeinflusst und dass er den Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richard einst überaus hochmütig, wie einen Saiten-Lehrling geschurigelt hat, darf man ihm schon beinahe wieder aufs Haben-Konto gutschreiben. Das traut sich nicht jeder.

Chuck Berry hat sich zeit seines langen Lebnens immer ziemlich viel getraut. Er verbrachte 1961 eineinhalb Jahre im Gefängnis, weil er „eine minderjährige Person wegen unmoralischer Beweggründe über eine Staatsgrenze innerhalb der USA transportiert hatte“. Er war Rock’n Roller und dass dieser englische Wortbegriff einstens für eine Leibesübung stand, die man in den 50er Jahren gemeinhin nur im Schlafzimmer oder auf dem Rücksitz von Papas Limousine ausübte, hat er, wie so viele seiner Rock-Kollegen, nicht nur intellektuell interpretiert. Er setzte Maßstäbe. Er wurde geliebt. Er wurde verehrt. Aber er trat nur auf, wenn ihm vor Konzertbeginn seine Gage ausgezahlt wurde. Berry konterte alle Sentimentalität bezüglich seiner Gitarre, zu der viele seiner Rock-Kollegen ein nahezu erotisches Verhältnis pflegen und bügelte diesbezügliche Fragen prinzipiell eiskalt, quasi on the rocks, ab: „Das ist ein Arbeitsinstrument für mich. Ich kaufe mir jedes Jahr eine neue, weil ich das von der Steuer absetzen kann.“

Gefühlsduseligkeit war sein Ding nicht, auch wenn er durchaus einfühlsame Texte schrieb. „Maybelline“ beispielsweise handelt von einem Vater, der nur noch einmal mit seiner sechsjährigen Tochter am Telefon sprechen will, bevor alles endgültig in Scherben fällt und „Johnny B. Goode“ ist nichts anderes als die musikalisch umgesetzte Verwirklichung des Wunsches seiner Mutter, dass ihr Johnny richtig gut werden möge.

Bloß nicht sentimental werden

Ist er. Mehr als das. Er ist eine absolute Marke geworden, vor der die ganzen wirklichen Götter auf dem Olymp des Rock-Himmels wie John Lennon (schon oben) und Mick Jagger (noch da) alle nicht vorhandenen Hüte ziehen. Die ganzen Lobpreisungen bezüglich seines Hinscheidens von Otto Waalkes (peinlich) bis hin zu Hillary und Bill Clinton (oberpeinlich) muss er gottseidank nicht mehr mitkriegen. Er hätte es sich wahrscheinlich verbeten oder Geld dafür verlangt, dass er sich sowas anhören muss. Und die weihevollen Lobpreisungen für seine 69-jährige Ehe mit Thermetta Berry kann man getrost auch komplett im Orkus des verlogenen Vegessens versenken.

„Sweet little sixteen“ und „Roll over Beethoven“ wird keiner aus dem Gedächtnis verlieren und aus dem Herzen auch nicht. Der Filmregisseur Robert Zemeckis lässt in seinem Zeitreisefilm „Zurück in die Zukunft“ seinen Helden Marty Mc Fly auf dem Schulabschlussball ein unverstandenes, weil unzeitgemäßes „Johnny B. Goode“ spielen. Ein Gruß aus der Vergangenheit an die Zukunft, in der die Stücke von Charles Edward Anderson Berry sicherlich zeitlos bleiben werden.