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Rotwelsche

Weder Kohl noch Dampf

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Weder Kohl noch Dampf
Veröffentlicht:11.04.2014, 08:00

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Damit es gleich klar ist: Es geht hier weder um Dampf noch um Kohl – auch wenn bekanntlich Witwe Bolte von diesem besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt. Der Ursprung ist wieder einmal das Rotwelsche, jene Art Geheimsprache auf der Basis des Deutschen, die sich gesellschaftliche Randgruppen seit dem Mittelalter ausdachten, und in der sich auch viele Einsprengsel aus anderen Sprachen finden, vor allem aus dem Jiddischen.

Kohler oder Koller war im Rotwelschen von Gaunern, Bettlern und Landstreichern ein Ausdruck für Hunger. Aber auch Dampf hieß nichts anderes als Hunger. Kohldampf ist also Hungerhunger, wobei die Dopplung hier wohl einfach der Verstärkung dient.

Solche Pleonasmen, wie man Dopplungen in der Sprache nennt, sind meist offensichtlich – wenn etwa jemand von einem weißen Schimmel spricht oder von einem schwarzen Rappen.

Aber manchmal verstecken sie sich auch. Zum Beispiel bei klammheimlich: Lateinisch clam heißt nichts anderes als heimlich, und heimlichheimlich ist eigentlich Unsinn. Aber irgendwie gelangte diese anfänglich wohl witzig gemeinte Wendung aus dem Studentenjargon in den allgemeinen Sprachschatz.

Und genau das ist auch beim Kohldampf schieben passiert, wobei dieses schieben ebenfalls nicht im üblichen Sinn des Wortes verstanden werden darf. Scheften ist im Rotwelschen ein Allerweltswort für sein, sich befinden, machen, gehen, tun, haben…

Zurück zur Fastenzeit. Sie geht nächste Woche zu Ende, und dann kann besagter Bekannter wieder nach Herzenslust essen und trinken – oder acheln und bacheln, um es auf Rotwelsch zu sagen.

Was achelt man? Langling (Wurst), Flotscher (Fisch), Grunert (Gemüse) oder Hitzling (Kuchen).

Und was wird gebachelt? Bechnikel (Bier), Johann (Wein) oder Finkeljochen (Branntwein).

Wer Hansjörg Roths ebenso lehrreiches wie unterhaltsames Rotwelsch-Buch "Barthel und sein Most" (Huber Verlag) zur Hand nimmt, kann mit solchen Sätzen aufwarten. Eines findet sich darin allerdings nicht: ein rotwelsches Wort für satt.

Kein Wunder, das fahrende Volk hat wohl immer Kohldampf geschoben.