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Erdrutschsieg

Von wegen Rutschpartie

Kultur / Lesedauer: 2 min

Von wegen Rutschpartie
Veröffentlicht:26.05.2017, 11:29

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Erdrutschsieg für CDU und FDP .“ So lautete die Titelzeile unserer Zeitung am letzten Montag nach der Nordrhein-Westfalen-Wahl. Dieser Ausdruck sorgt immer wieder für Stirnrunzeln, für Anrufe, für Nachfragen, und das ist zu einem gewissen Maß auch verständlich. Bei einem Wahlsieg geht es ja in der Regel aufwärts und nicht abwärts wie bei einem Erdrutsch. Und empfindlich abgerutscht sind an Rhein und Ruhr schließlich die SPD und die Grünen. Sie erlebten also aus ihrer Sicht eine Erdrutschniederlage.

Aber man kann diese vordergründig unlogische, jedoch sehr geläufige Metapher vom Erdrutschsieg für den Ausgang von Wahlen in der Politik oder auch Wettkämpfe im Sport durchaus zu erklären versuchen. Eingesetzt wird sie vor allem, wenn es um einen außergewöhnlich hohen Sieg geht, durch den gewaltige, in dieser Stärke vorher nicht zu erwartende Verschiebungen eintreten. Wie bei einem Erdrutsch, der ja auch eine Landschaft von Grund auf verändert, was uns unzählige TV-Bilder von verheerenden Naturkatastrophen immer wieder vor Augen führen. Erdrutschsieg besagt also nur, dass etwas radikal umgekrempelt wird, was sowohl für den Sieger als auch für den Besiegten einschneidende Folgen hat.

Landschaft ist übrigens ein gutes Stichwort, denn nach Ansicht von Sprachforschern haben wir es bei Erdrutschsieg mit einer wörtlichen Lehnübersetzung des englischen landslide victory zu tun, das in den USA schon vor 1900 im heutigen Sinn verwendet wurde. Land heißt Land, Erde, Boden oder Feld, und slide ist unter anderem der Abhang oder die Rutsche. Dass dieses slide urverwandt ist mit unserem Wort Schlitten sei nebenbei angemerkt. Laut einschlägigen Nachschlagewerken lässt sich Erdrutschsieg bei uns seit den späten 1920er-Jahren nachweisen. Als solcher wurde etwa der überwältigende Erfolg der Nationalsozialisten bei den Wahlen von 1930 bezeichnet, als sie von einer Splittergruppe zur zweitstärksten Macht in der Weimarer Republik aufstiegen. Und wenn man so will, war das damals prophetisch: Denn danach rutschte letztlich eine ganze Nation ins Verderben.

Sprichwörtlich geworden ist auch eine andere, in diesem Fall aber negativ besetzte Art von Sieg. Von einem Pyrrhussieg spricht man, wenn der Sieger aus einem Streit ähnlich geschwächt hervorgeht wie der Besiegte. Der Ausdruck geht auf König Pyrrhus zurück, der in Epirus herrschte, einer antiken Gegend im heutigen albanisch-griechischen Grenzland. Er soll nach seinem mit hohen Verlusten erkauften Sieg über die Römer in der Schlacht beim süditalienischen Asculum 279 v. Chr. einem Höfling gesagt haben: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“

Solche Gedankengänge sind den Herren Armin Laschet von der CDU und Christian Lindner von der FDP derzeit natürlich fremd.