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Sprachgebrauch

Von we­gen Ver­ti­ku­li

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Von we­gen Ver­ti­ku­li
Veröffentlicht:17.04.2015, 08:00

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An vertikulieren lässt sich ablesen, dass manche Wörter im Sprachgebrauch landen, obwohl sie nachweislich falsch sind. Vertikulieren steht zwar noch nicht im Rechtschreibduden, wird aber heute im großen Fremdwörterduden als Nebenform von vertikutieren aufgeführt. Richtiger wird es dadurch nicht. Der Ursprung des Begriffs für das Anritzen der Grasnarbe zwecks Entfernung von Moos zur Belüftung des Rasens - so die genaue Definition - hat mit Kuli nichts zu tun, sondern liegt im Englischen. In den USA wurde der Vertikutierer, also jenes typische Gerät mit einer Messerwalze, 1955 erfunden. In dem Wort steckt vertical für senkrecht, und to cut ist bekanntlich schneiden.

Zu dieser Familie gehört auch der Cutter: Das kann der Schnittmeister beim Film sein oder eine Maschine zum Zerkleinern von Fleisch für die Wurstherstellung.

Und der Cutaway oder kurz Cut ist jener noble Gehrock, den man in höheren Kreisen gerne bei Hochzeiten, Empfängen oder anderen Festivitäten trägt - aber um Gottes Willen nicht nach 18 Uhr.

Apropos um Gottes Willen: Wenn der Schwabe sein Hergoles vor sich hin bruddelt, dann klingt das zwar nach Herkules. Aber gemeint ist eigentlich Herrgott.

Womit wir bei den verhüllenden Entstellungen gelandet sind. So nannten schon die Brüder Grimm Euphemismen, also beschönigende und verschleiernde Formulierungen, die oft auf alte religiöse Tabus zurückgehen. Lauthals Herrgottsakrament zu fluchen, galt für gläubige Menschen schon immer als Gotteslästerung. So bürgerten sich harmlose Formen wie Himmelsackzement oder Sackzementschlemprament ein, bei denen man zwar Luft ablassen kann, aber die Sphäre des Glaubens nicht blasphemisch verletzt.

Sapperlot gehört hierher, das auf ein französisches sacrelotte zurückgeht, einen Euphemismus mit der Wurzel sacré nom de dieu (geheiligter Name Gottes). Sakradi stammt aus der gleichen Ecke. Und wenn ein deftiges Heidesack ertönt, so steckt Heilandsakrament dahinter.

Das Repertoire an Kraftsprüchen ist beträchtlich. Man kann auch vertikulieren, pardon, vertikutieren ohne zu fluchen - nur nicht zu früh, sondern erst nach dem ersten Rasenschnitt. Behauptet die Ehefrau. Und die muss es wissen, heidenei.