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Freilichtbühne

Theater auf der Höhe der Zeit

Kultur / Lesedauer: 4 min

Gelungene Inszenierung von „Robin Hood“ auf der Allgäuer Freilichtbühne
Veröffentlicht:13.06.2016, 18:36

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Mit „Robin Hood“ betritt ein neuer Held die Freilichtbühne in Altusried .

Robin Hood wird gern als Lichtgestalt im finsteren Mittelalter gesehen. Die Altusrieder zeigen ihn beim Freilichtspiel ihren Zuschauern auch so – aber sie gehen weit darüber hinaus. Sie holen den Helden samt seinen Freunden und Feinden in die Gegenwart. Robin Hood ist nicht nur ein Kämpfer für die Armen und gegen Tyrannen, sondern auch ein Idealist, der für Menschenrechte ficht und Flüchtlingen Asyl gewährt. Kurzum: Das Publikum sieht beim großen Spiel auf der Naturbühne dieses Jahr eine hochaktuelle Parabel auf die Verwerfungen dieser Welt. Sprich, Theater auf der Höhe der Zeit. Die Zuschauer bei der Uraufführung am Samstagabend honorierten dies am Ende mit euphorischem Applaus.

Zuvor hatten die 500 Spieler im gemeinsamen Schlusslied mit viel Pathos eine bessere Welt beschworen. Wobei sie mit „Welt“ tatsächlich den ganzen Globus meinen und nicht nur Europa, das sich derzeit abzuschotten versucht. Eine Welt, in der Frieden und Freiheit herrschen, wo es keine Ausbeutung gibt, keine Autokraten und Diktatoren, keine Knechtschaft und Armut. Eine Vision – derzeit schaut es auf unserem Planeten leider ganz anders aus.

„Robin Hood“ ist also ein politisches, gesellschaftskritisches Stück. Das ist ganz schön mutig für Altusried. Aber Regisseur Dominik von Gunten und sein Team bringen zugleich Unterhaltsames auf die Open-Air-Bühne – mit einem Füllhorn an Ideen, viel Fantasie und einem Schuss Fantasy.

Das erwarten die Besucher, und sie wurden nicht enttäuscht. Die Geschichte um den Nottinghamer Bürger Robin Hood (Sebastian Heerwart), der im Streit eher unabsichtlich einen Adeligen tötet und mit seinem Freund Will (Hape Müller) zu den Geächteten in den Sherwood Forrest fliehen muss, bietet jede Menge an Spektakel. Mal brennt ein Dorf, mal wird eine Kutsche überfallen und mal feuern pinkfarben gekleidete Cheerleader ein Turnier mit Pfeil und Bogen an, bei dem verblüffend genau ins Schwarze der Zielscheibe getroffen wird.

Guter Mix aus Action und Ironie

Von Gunten setzt weniger auf große Bilder und Schlachten, als vielmehr auf intensive Szenen und spannende Zweikämpfe. Dank gründlichen Trainings wirken die Gefechte mit Schwertern und Holzstangen recht realistisch. Aber nicht nur die Action passt. Die Akteure spielen durchweg stark; das zieht in die Geschichte hinein und lässt einen nicht mehr los – auch wenn am Ende, inklusive Pause, drei Stunden vergangen sind.

Warum alles so gut ist? Das beginnt schon beim Buch, das Christian Schönfelder für die Altusrieder geschrieben hat. In seine ernste, gesellschaftskritische Geschichte mischt er leisen Humor, feine Ironie und ein paar gute Gags. Anfangs zündet der Mix noch nicht so richtig, aber nachdem sich das Publikum darauf eingestellt hat, honoriert es die Einfälle mit viel Lachen und Szenenapplaus.

Einen großen Anteil am Gelingen hat auch Bühnenbildner Philipp Nicolai. Er schuf zwei Welten, die sich diametral gegenüberstehen: Da die Stadt Nottingham mit einem verkommenen Regime (Christian Kaps als Earl), brutalen Schergen (Roland Wintergerst als Sheriff), Speichelleckern (Christian Eberz als Guy of Guisborn) und einer gefährlichen Witzfigur als Bräutigam (Michael Marmon). Dort das Waldlager der Geächteten mit herrlich schrägen Vögeln wie dem Anführer Little John (Elmar Luger), Bruder Tuck (Joachim Neumeir), dem immer wieder abgewürgten Sänger Richard (Wolfgang Hauke) oder dem dunkelhäutigen Tyler, der von einem realen Flüchtling, Mahmud Diarra, dargestellt wird. Ihr Hauptquartier schaut aus wie eine abgestürzte Rakete aus Holzbrettern.

Zwischen diesen Welten liegt ein Graben, der unüberwindlich zu sein scheint. Aus ihm steigen – noch so eine verblüffende Idee des Regieteams – irgendwann rätselhafte Gestalten und lehren die Räuber das richtige Stehlen. Das sind all jene Kinder, die in den Kriegen getötet oder zu Waisen wurden. Wie in Kinofilmen pendeln die Szenen in scharfen Schnitten zwischen den beiden Schauplätzen.

Auch die Musik passt

Apropos Film: Die Musik von Rainer Bartesch untermalt viele Szenen – mal sanft, mal donnernd. Sehr fein die Sätze fürs Nonnen-Chörle, das die Abschnitte kommentiert. Bei der musikalischen Leiterin Gertrud Hiemer-Haslach liegt das Feintuning in kompetenten Händen.

Ebenso wichtig wie Robin Hood ist auch eine Dame: Lady Marian, grandios gespielt von Martina Schmidt-Klüpfel. Aus der Liebe der beiden erwächst die Rettung der Welt. Wobei die Frau fast noch stärker ist als der Mann. Sie avanciert zur heimlichen Heldin. Denn durch ihren Widerstand bringt sie das irre Machtgebäude ihres Vaters zum Einsturz. Sie überbrückt den Graben, der die Welt spaltet. Sie sorgt für Versöhnung und Frieden. Eine wahrhaft emanzipierte Frau.

„Robin Hood“ steht in Altusried bis 21. August auf dem Programm. Karten gibt es unter Telefon: 08373/92 200, E-Mail: [email protected] oder auf der Homepage: www.altusried.de