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Kultur / Lesedauer: 3 min

Zum Schluss noch ein Höhepunkt:Geigerin Julia Fischer begeistert beim Bodenseefestival
Veröffentlicht:25.05.2015, 19:04

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Festliche Stimmung herrschte im Kongresszentrum Oberschwaben, als die Münchner Geigerin Julia Fischer gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag nochmals einen Höhepunkt im diesjährigen Bodenseefestival bescherte. Ganz natürlich, mädchenhaft und ohne Starallüren trat sie auf, beflügelte das Orchester und seinen Dirigenten Peter Vronsky in der Interpretation des Dvorák-Konzerts.

Von Seiten der Mutter, einer Pianistin, hat Julia Fischer slowakische Wurzeln. Daher mag eine besondere Verbundenheit mit Dvoráks Musik rühren, wenn sie, geborgen im Klang des Orchesters, den Tonraum immer mehr ausdehnt und ausschöpft und sich mit jubilierendem Ton über das Orchester erhebt. Viele Farben entlockt sie der Geige, raunend in tiefer Lage, warm und doch brillant im Glanz. Im langsamen Satz stimmt sie im Dialog mit den Bläsern eine jener Melodien an, die so anrühren in ihrem natürlichen Fluss und ihrer Innigkeit und in die sich dramatische Aufwallungen hineinmischen. Julia Fischer genießt die Ruhe der strömenden Linien, ohne je sentimental zu werden. Im Finale führt sie den Tanz hurtig und reich an filigranen Verästelungen an, nimmt die Impulse der Pauke auf und zieht das Orchester mit ihrer musikantischen Energie mit. Als ob das Konzert eine leichte Einspielübung gewesen wäre, begeistert die Geigerin in ihrer Zu-gabe mit der g-Moll-Solosonate von Paul Hindemith: raffinierte Bogentechnik, Doppelgriffe, großräumige Passagen und eine fulminante Stretta machen staunen.

Mit der Konzertouvertüre „Die Hebriden“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, ihren Naturstimmungen und ihren seelenvollen Melodien hatten Peter Vronsky und das Symphonieorchester des Prager Nationaltheaters den Boden bereitet. Nach der Pause stand dann Beethovens siebte Symphonie im Mittelpunkt: in seiner klaren, freudig anregenden Körpersprache gestaltete Vronsky, der dem Orchester seit 2007 vorsteht, die großen Spannungsbögen der Einleitung und den befreienden Jubel des Vivace-Teils. Der warme Gesamtklang des Orchesters kam auch dem Trauermarsch, der Themengestaltung und fein abgestuften Dynamik zugute, plastisch modellierte der Dirigent die Melodien der Holzbläser. Schwungvoll und energisch, mit manchmal allzu dominierenden Akzenten der Pauke, doch insgesamt sehr liebevoll und musikantisch klangen Scherzo und Finale.

Abschied mit Dvorák

Peter Vronsky und seine Musiker verabschiedeten sich – natürlich! – mit Dvorák, dem zehnten seiner slawischen Tänze, der mit zart wehmütiger Geigenseligkeit und silbrigem Triangelgeklingel aufwartet. Die Ouvertüre zu Mozarts „Figaros Hochzeit“ setzte fein ziseliert in gestochen scharfen Figuren den Schlusspunkt: Mozart liebte „seine“ Prager, und die Prager lieben ihn hörbar noch immer.

Mit diesem und zwei Konzerten in Rorschach und Salem ging das heuer besonders stimmig programmierte Bodenseefestival zu Ende. Im nächsten Jahr lautet das Motto „Nordlichter“, mit der norwegischen Trompeterin Tine Thing Helseth als „artist in residence“, und erstreckt sich auf die skandinavische Kultur allgemein. Tschechische Sonderzeichen weichen finnischen, schwedischen und norwegischen Schreibweisen und Klangwelten und sicher ist wieder manche Entdeckung zwischen Grieg, Sibelius, Strindberg und Ibsen zu machen.