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Southside 2017 mit mehr Wetterglück

Kultur / Lesedauer: 4 min

Beim Southside Festival ist die Feierlaune nach dem Wetterchaos 2016 extrem gut
Veröffentlicht:26.06.2017, 08:07

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Dunkelheit und Stille: nicht gerade das, was man mit dem Southside Festival verbindet. Doch der Auftritt der amerikanischen Punkrocker Green Day am Samstagabend wird genau davon beendet – 45 Minuten zu früh. Stromausfall. Dafür hatten die rund 60 000 Besucher Glück mit dem Wetter: viel Sonne und keine Gewitter. 2016 war das Southside wegen heftiger Unwetter schon nach wenigen Stunden abgebrochen worden.

Green-Day-Frontmann Billie Joe Armstrong kann seine Fans mit der Wasserspritze nass machen – und sie jubeln weiter. Er kann Mitsing- und Mitklatschspielchen in die Länge ziehen wie Kaugummi – und das Publikum langweilt sich nicht. Er kann den Saxofonisten die Schmonzette „Careless Whisper“ des verstorbenen George Michael anstimmen lassen – und die Festivalmeute singt mit. Der Sänger und Gitarrist des amerikanischen Punkrock-Trios zeigte am zweiten Festivaltag auf eindrucksvolle Weise, warum man von der Hauptband des Tages mehr erwarten darf als nur solide vorgetragene Musik.

Es ist eine ausgelassene Show, die vor allem Billie Joe Armstrong als Dirigent der Southside-Massen abzieht – und die manchem eine Spur zu überdreht ist. Mit einer Kanone schießt der alt-gediente Punkrocker T-Shirts in die Menge, rennt wie ein Berserker über die Bühne und zelebriert mit den Konzertgängern das, wofür Festivals stehen: ein paar Tage lang Abschalten von der Welt da draußen. Doch ignorieren lassen sich die unruhigen Zeiten natürlich nicht, und erwartungsgemäß äußert sich Armstrong auch politisch. So brät er Donald Trump verbal eins über und Politikern allgemein gleich mit.

Stromsparende Version

Ausgerechnet das Protestlied „American Idiot“, mit dem die 1989 gegründete Band aus Kalifornien 2004 ihren zweiten Frühling einläutete, spielt Armstrong dann aber trotzig alleine und mit dem bisschen Strom, das es zwischendurch für seine Gitarre gibt, bevor der Saft endgültig weg ist. Grund für den Stromausfall war ein Defekt am Stromaggregat: Ein Sensor hatte eine vermeintliche Überhitzung gemeldet und dabei ein zweites Aggregat in Mitleidenschaft gezogen.

Politisch zeigt sich auch Frank Turner. Der britische Lagerfeuer-Punk-Poet mit der Westerngitarre sagt, die Welt sei ein „abgefuckter Ort“. Seine Show will er als Zeichen verstanden wissen, dass alle Menschen gleich sind und auf dem Festival dem Grauen der Welt für kurze Zeit entfliehen können. Turner hat sich in den vergangenen Jahren mit Hunderten Konzerten eine riesige Fanbasis erspielt. Sein bislang größter Auftritt war 2012 bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London. Der 36-Jährige versprüht eine unbändige Energie, ob er mit dem Mikro ein Bad in der Menge nimmt oder mit seiner Gitarre über die Bühne rockt, bis das weiße Hemd schweißnass ist. Es ist eine der mitreißendsten Shows des Festivals.

Mutmacher: Imagine Dragons

Die US-Amerikaner von Imagine Dragons auf der Blauen Bühne machen unter dem Eindruck des Terrors von Manchester eine klare Ansage: „Sie wollen Angst in unsere Herzen bringen. Aber wir stehen eng zusammen und lassen das nicht zu.“ Rock am Ring, das größte deutsche Rockfestival, war vor wenigen Wochen wegen einer Terrorwarnung unterbrochen worden. Radiohits wie „Radioactive“ oder „Demons“ werden vom Publikum euphorisch mitgesungen. Zuvor hatte das Popduo Milky Chance mit Songs wie dem Chart-Hit „Stolen Dance“ gezeigt, warum sie zu den international erfolgreichsten Exportgütern der deutschen Musikszene zählen. Am Freitag hatten bereits zwei andere deutsche Künstler mitreißende Shows abgeliefert. Der Rapper Casper machte mit seinem enthusiastischen Auftritt Lust auf sein neues Album „Lang lebe der Tod“, das nun im September erscheinen soll, nachdem der Indie-Poet mit der Raspelstimme seinen Songs nochmals mehr Zeit zum Reifen einräumen wollte. Der Berliner DJ Fritz Kalkbrenner zeigte, dass er nicht nur an den Plattentellern überzeugt, sondern auch als Sänger. Die Lichtshow inklusive Feuerwerk machte den nächtlichen Auftritt besonders opulent.

Auch abseits der großen Bühnen spielen sich auf den Festivals Momente ab, über die Musikfans Jahre später reden. So dürften die Konzertgänger sich noch lange an den freitäglichen Auftritt der Kassierer aus Wattenscheid erinnern: Die Punk-rock-Proleten sorgten im überraschend rappelvollen Roten Zelt mit Songs wie „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“ fast schon für Ballermann-Stimmung. Tags drauf gab es im Roten Zelt mit der Antilopen Gang und ihrem politischen Anarcho-Deutschrap das Kontrastprogramm.

Nochmal zurück zu Green Day: Er glaube wirklich daran, ruft Armstrong einmal ins Publikum, dass Rock’n’Roll die Welt retten könne. Das mag naiv sein – aber es besteht kein Zweifel daran, dass man von diesem Wochenende viel Inspiration mitnehmen kann, um die Welt im Kleinen ein Stück besser zu machen.