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Supermoon

Sophie Hunger: „Meine Arbeit ist meine Heimat“

Kultur / Lesedauer: 5 min

Sophie Hunger: „Meine Arbeit ist meine Heimat“
Veröffentlicht:24.07.2016, 14:58

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Sophie Hunger ist Sängerin, Songwriterin und Filmkomponistin in einem – und gehört zu den hörenswertesten Schweizer Exportschlagern dieser Zeit. Momentan ist die 33-jährige Musikerin mit ihrem aktuellen Album „Supermoon“ auf Tour und macht am 4. August Halt beim Theaterfestival in Isny . Im Interview mit Simone Müller spricht Sophie Hunger über fehlende Verwurzelung, Kindheitsträume – und ihre Körpergröße.

Frau Hunger, Sie werden von den Medien gerne als „rätselhaft“ bezeichnet. Wie würden Sie sich selber mit nur wenigen Worten beschreiben?

Sophie Hunger, 177 cm.

Chanson- und Folk-Anteile, ein bisschen Jazz, etwas Rock, ein Hauch Blues: Ihre Musik lässt sich keinem bestimmten Genre zuordnen. Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihre Songs nicht in eine einzige Schublade passen?

Also darauf achte ich nicht wirklich, das ist eher etwas, was von außen gesagt wird.

Sie singen in den Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch und Schweizerdeutsch. Zu welcher der vier Sprachen fühlen Sie die stärkste Verbundenheit?

Je nachdem, welche Person in mir gerade aktiviert ist, und das hängt zusammen mit den Menschen, die gerade anwesend sind, oder dem Land, in dem man ist. Wenn ich zum Beispiel in Paris mit einem anderen Verkehrsteilnehmer streite, dann fühle ich mich sehr verbunden mit der französischen Sprache.

Ihre Karriere begann 2008 mit Ihrem Debüt-Album „Monday’s Ghost“: Wollten Sie schon als Kind Musikerin werden?

Nein, ich habe daran nicht so konkret gedacht. Aber es gab Bilder im Kopf von Bühnen, Vorhängen, die sich öffnen, schweigenden Zuschauern, Dunkelheit, dann Licht, irgendwem, der auf die Knie fällt und mir einen Heiratsantrag macht, einem frühen Tod in einem Ford Mustang in einer Wüste. Solche Sachen.

Im Juni haben Sie den Zürcher Festspielpreis 2016 verliehen bekommen. Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen wie diese?

Das war eine große Ehre. Diesen Preis kriegen sonst eher etwas ältere, männliche Menschen. Zürich ist meine Heimatstadt, wenn jemand sie angreifen würde, dann würde ich mich freiwillig zur Verteidigung melden.

Ihr 2015 erschienenes Album „Supermoon“ ist während Ihres Aufenthalts in Kalifornien entstanden. Zu diesem Zeitpunkt wollten Sie eigentlich erst einmal nichts mehr von der Musik wissen und nach all dem Trubel der letzten Jahre zur Ruhe kommen. Was hat Sie dazu bewegt, doch wieder zur Gitarre zu greifen?

Das ist mein Natur-Reflex. So lebe ich nun mal. Das muss man halt dann auch irgendwann akzeptieren. Man denkt ja gerne immer, man würde dann mal noch was anderes.

Das Theaterfestival in Isny im Allgäu ist bekannt für eine sehr familiäre Atmosphäre. Was reizt Sie daran, „nah dran“ am Publikum zu sein?

Ich mag es, wenn die Menschen nahe an uns sind, wir spielen dann immer viel besser. Für uns ist das ein großes Geschenk und macht einen fühlbaren Unterschied.

Sie spielen im Sommer 17 Konzerte mit Ihrer Band. Was ist für Sie das Schönste am Tourleben?

Mit meiner Gruppe zu sein, diese Freundschaft und nun schon jahrelange Verbundenheit ersetzt die fehlende Verwurzelung, die durch unseren Beruf entsteht.

Existiert in Ihren Augen so etwas wie „Heimat“?

Meine Crew, die Musik, meine Arbeit ist meine Heimat.

In Ihrem sehr eindringlichen Mundartlied „Heicho“ wendet sich das lyrische Ich mit der Mitteilung an die Mutter, nur zum Sterben zu ihr zurückzukehren. Wieso widerstrebt Ihnen der Aufenthalt in Ihrer vertrauten Umgebung derart?

Das ist etwas poetisch gedacht, nicht so konkret biografisch. Das Kind sagt: „Du warst perfekt, wie Neopren im Regen, ich kann vier Sprachen und weiß ,Nein’ zu sagen – aber ich will mehr vom Leben.” Es ist ein wenig eine Auseinandersetzung mit meinem Land als Willensnation des Perfekten, des Makellosen, der Qualität, des suggerierten Ideals, auf dessen Kosten alles geht. Am Ende, als das Kind tot ist, freut sich die Mutter beim Hissen der Schweizerflagge auf Halbmast über die makellose Qualität der roten Farbe.

Auch der Song „Queen Drifter“ handelt vom Unterwegssein. Würden Sie sich als rastlosen Menschen bezeichnen?

Ich bin da psychologisch limitiert, es fällt mir wahnsinnig schwer, mir das vorzustellen, wie das sein muss, Wurzeln zu schlagen oder irgendwo zu bleiben.

Welche Gefühle verbinden Sie mit Ihrer Wahlheimat Berlin?

Es ist eine aufregende Station. Alles hier ist unfertig, man gehört auch deswegen sofort dazu.

Welche neuen Ideen schwirren Ihnen für die Zeit nach der Tour bereits im Kopf umher?

Ich arbeite bereits an neuen Liedern, außerdem bekomme ich auch immer mehr Aufgaben im Bereich Komposition, insbesondere Filmmusik. Solche Projekte halten mich auf Trab neben den Tourneen. Aber am besten ist die Bühne.

Sophie Hunger ist eine Singer- Songwriterin aus der Schweiz und heißt mit bürgerlichem Namen Emilie Jeanne-Sophie Welti. Als Tochter eines Diplomaten und einer Politikerin aufgewachsen, war ihre Kindheit von vielen Ortswechseln geprägt. In ihrem vierten Album „Supermoon“ reflektiert Hunger dieses ständige Unterwegssein so stark wie nie zuvor. Am 4. August tritt sie beim Theaterfestival Isny auf. Dort sind vom 29. Juli bis 6. August unter anderem Carl Einar Häckler (29.7.), Dunkelbunt (29.7.), Herbert & Mimi (2.8.), Son Pa Ti (3.8.), Jamaram und Dexico (5.8.) zu sehen. Infos: www.theaterfestival-isny.de