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So gut machen’s eben nicht alle

Kultur / Lesedauer: 3 min

Neues Opernstudio der Bregenzer Festspiele präsentiert überzeugend „Così fan tutte“
Veröffentlicht:18.08.2015, 15:27

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Plötzlich ist aus dem heiteren Spiel bitterer Ernst geworden: So ernüchtert, so desillusioniert erlebt man das Finale von „Così fan tutte“ selten. Regisseur Jörg Lichtenstein, Dirigent Hartmut Keil , sechs hochmotivierte junge Sängerinnen und Sänger und das Symphonieorchester Vorarlberg präsentieren im Landestheater eine ungemein spritzige und konsequent durchgearbeitete Operninszenierung von Mozarts Meisterwerk.

Mit ihrem neuen Opernstudio will Intendantin Elisabeth Sobotka jungen Künstlern Möglichkeit zur Entfaltung geben. Die jungen Sängerinnen und Sänger nutzen ihre Chance und bringen sich mit Spiellust und prächtigen Stimmen ein. Bis auf die Südafrikanerin Kelebogile Pearl Besong, die Sängerin der Fiordiligi, kommen alle vom Opernstudio der Deutschen Oper Berlin und konnten bereits im Juli eine Meisterklasse mit Brigitte Fassbaender erleben. Eigentlich will man kaum glauben, dass sie erst am Anfang ihrer Opernkarriere stehen. Doch haben gewiss die liebevolle musikalische Führung von Hartmut Keil und Jörg Lichtensteins reiche Erfahrung mit Studenten, die er in Halle und am Mozarteum Salzburg sammeln konnte, hier Früchte getragen.

Fliegender Rollenwechsel

Mozart und sein Textdichter Lorenzo da Ponte legen in „Così fan tutte“ (So machen’s alle – gemeint sind im italienischen Titel alle Frauen) eine perfide Wette vor: Der erfahrene Alfonso wird seinen Freunden Ferrando und Guglielmo beweisen, dass es um die Treue der Frauen, speziell ihrer Verlobten Dorabella und Fiordiligi, schlecht bestellt ist. Die jungen Männer müssen vermeintlich in den Krieg ziehen, man nimmt tränenreich Abschied, die Männer kehren verkleidet zurück und werben um die jeweils andere Frau.

Unter Anleitung von Alfonso und der Zofe Despina entstehen Gefühlschaos und Seelenstürme, am Ende scheint alles umgekrempelt. Mozart hat dazu die vielleicht tiefgründigste Musik seines Opernschaffens geschrieben, Hartmut Keil und Jörg Lichtenstein haben genau hingesehen und hingehört.

Lichtenstein schickt sein Ensemble auf die Seitenbühne eines Operntheaters: Kostüme, Degen, Schminktische, schummriges Licht schaffen Atomsphäre auf der Bühne von Susanna Boehm. In den Pausen entspannt man sich beim Schach, eine Auftrittsrampe führt auf eine imaginäre Hauptbühne, in prachtvollen Kostümen, mit Masken und Capes (Kostüme: Jutta Delorme) spielt man zur Ouvertüre mit den Elementen des klassischen Theaters.

Despina ist die gestresste Regieassistentin, Alfonso der stille Beobachter. Die Männerwette kommt eher unvermittelt und vor allem: die Frauen sind beteiligt und schlagen ebenfalls ein. Man spielt „Così fan tutte“, alle wissen alles, steigen ein in die Rolle und wieder aus, kommentieren. Es ist Spiel im Spiel, doch wirkt alles glaubhaft und gelebt, umso mehr, wenn im zweiten Teil echte Gefühle aufkommen: Auf einmal sind es junge Menschen, die sich beim Baden im Bodensee verliebt haben, der Sprung zurück in die Realität eines Probenalltags mit Notenständern und Klavierauszügen zieht ihnen den Boden unter den Füßen weg. Eine Inszenierung der „Così“ wird immer voller Widersprüche sein – diese reißt Wunden auf.

Klug und fein gewebter Klang

Musiziert wird prächtig: vom phantasievollen Hammerklavierspiel, das Hartmut Keil selbst zur Begleitung der Rezitative gestaltet, über die spritzigen oder fein gewebten Streicherstimmen zu den Holzbläsern und den virtuos aufspielenden Hörnern ist das Symphonieorchester Vorarlberg bestens eingestimmt. Und Kelebogile Pearl Besong (Fiordiligi), Annika Schlicht (Dorabella), Sonia Grané (Despina), Stephen Chambers (Ferrando), Maximilian Krummen (Guglielmo) und Grigory Shkarupa (Alfonso) bilden ein wunderbar ausgewogenes, mit Leidenschaft, Herzblut und Musikalität agierendes Ensemble. Jubel und Begeisterung für eine tolle Produktion.

Weitere Vorstellungen am 20. und 22. August., 19.30 Uhr.