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Krippenbuch

Ohne Ochs und Esel geht es nicht

Kultur / Lesedauer: 4 min

Ohne Ochs und Esel geht es nicht
Veröffentlicht:17.12.2014, 18:20

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Bernhard und Ingeborg Rüth legen ein „Schwäbisch-alemannisches Krippenbuch“ vor

Kein Weihnachten ohne Krippe. Für viele Menschen gehört der Stall dazu. Und das sorgfältige Arrangement von Maria und Josef mit dem Jesuskind. Ochs und Esel halten sich im Hintergrund. Doch wer das prächtige „Schwäbisch-alemannische Krippenbuch“ von Bernhard und Ingeborg Rüth vor sich liegen hat, ahnt: Krippen sind viel mehr als nur ein guter alter Weihnachtsbrauch. Der Rottweiler Kreisarchivar und seine Frau haben in jahrzehntelanger Recherche zusammengetragen, was es Wissenswertes über das Krippenwesen in der Region vom Lech bis zum Schwarzwald gibt.

Ihr im Kunstverlag Josef Fink erschienenes 350-seitiges Werk ist nicht nur ein Lesebuch für Krippenfreunde. Der üppig ausgestattete Band mit vielen farbigen Abbildungen hat wissenschaftliche Ansprüche. Der Anmerkungsapparat ist beeindruckend, das Literaturverzeichnis macht es dem Interessierten leicht, nach weitergehenden Informationen zu suchen.

Instrument der Gegenreformation

Der Ansatz ist vielfältig. Die Entwicklung des Krippenwesens wird historisch, kunsthistorisch und volkskundlich dargestellt. Dass dabei gelegentlich die ein oder andere akademische Redewendung stehenblieb, sei entschuldigt angesichts dieser Herangehensweise.

Die ersten dreidimensionalen Darstellungen des Weihnachtsgeschehens reichen in die Barockzeit zurück. Sie sind ein Instrument der Gegenreformation. Die Jesuiten waren es, die nach einem Medium suchten, um dem Volk die Geschichte von Christi Geburt nahezubringen. Inspirieren ließen sich die frühen Krippengestalter von der spätgotischen Plastik: Zum Beispiel von Michel Erharts Darstellung von Christi Geburt auf dem Hochaltar in der ehemaligen Blaubeurer Klosterkirche. „Das Formenrepertoire der mittelalterlichen Weihnachtsdarstellungen bildet das gestalterische Fundament der neuzeitlichen Krippenkunst“, heißt es bei Rüth.

Die Hochburgen der Gegenreformation, die Klöster in Oberschwaben, aber auch das bischöfliche Augsburg, wurden zu Zentren der Krippenbewegung. Krippen aufzustellen war eine erzkatholische Sache. Im 17. Jahrhundert entstanden prächtige Barockkrippen mit immer mehr Personal in üppiger Ausstattung. Aus dem ursprünglichen Andachtsmedium wurde ein Bühnenbild und ein Prestigeobjekt.

Aufklärung und Säkularisation

Im Zeitalter der Aufklärung hatte es die Weihnachtskrippe jedoch schwer. Kaiser Joseph II. erließ am 14. Mai 1792 ein „Reinigungsdekret“, das selbstverständlich auch die österreichischen Erblande in Schwaben betraf. Darin verordnete der Habsburger, dass „aller übermäßige, dem Geist der Kirche ohnehin nicht angemessene Aufputz, Prunk und Beleuchtung“ abzuschaffen sei.

Die Säkularisation gab den Krippen dann den Rest. Graf Montgelas, der eifrige bayerische Reformer, überzog das neu gegründete Königreich Bayern zwischen 1801 und 1804 mit einer Verbotswelle. Von „geistlosen“ und „zweckwidrigen Zeremonien“ ist in einem Dekret der Kurpfalzbairischen Landesdirektion in Schwaben zu lesen.

Doch keine Bewegung ohne Gegenbewegung. Aus den Kirchen und Klöstern, also im weitesten Sinn öffentlichen Orten wurden Krippen verbannt, im privaten Raum jedoch, ob in der Bauernstube oder im bürgerlichen Wohnzimmer hielten sie Einzug. Zudem gab es auch im Katholizismus eine neue Frömmigkeitsbewegung, und mit ihr kehrten die Krippen zurück. Zwei Persönlichkeiten stellen Bernhard und Ingeborg Rüth hier in den Vordergrund: Die Pfarrer Christoph von Schmid (1768-1854) und Heinrich Hansjakob (1837-1916). Schmid, lange Jahre Gemeindepfarrer in Oberstadion, hat nicht nur den Text zum berühmten „Ihr Kinderlein kommet“ geschrieben, sondern war auch ein eifriger Kämpfer für die katholische Erneuerungsbewegung. Hansjakob, der lange Jahre in Hagnau wirkte, hat nicht nur die erste Krippe für seine Gemeinde angeschafft, sondern in seinen Erinnerungsbüchern seiner Heimat im Schwarzwald und den kirchlichen Bräuchen dort ein Denkmal gesetzt. Die Rüths schreiben: „In der katholischen Kirche wurde die Massenreligiosität vom ultramontan ausgerichteten Klerus als Milieumanager systematisch gefördert. Die ostentative Wertschätzung von Symbolen und Ritualen kam auch dem Medium der Weihnachtskrippe zugute.“

Die Autoren beschränken sich nicht auf einen historischen Rückblick, sondern stellen auch aktuelle Positionen der Krippenkultur dar. So im Interview mit heutigen Krippenbauern und dem Malerpfarrer Sieger Köder, der sich immer wieder des Themas Krippe annimmt. Dass sie manche aktuelle Interpretation des Weihnachtsgeschehens kritisch sehen, daraus machen die Autoren kein Hehl.

Die letzten 100 Seiten sind wie ein Reisehandbuch zu den schönsten Krippen im süddeutschen Raum gehalten – mit ausführlichen Beschreibungen der Kirchen, Museen und praktischen Informationen wie Öffnungszeiten und Telefonnummern.

Bernhard und Ingeborg Rüth: Schwäbisch-alemannisches Krippenbuch. Weihnachtskrippen in Baden-Württemberg und Bayerisch Schwaben. 352 Seiten, 296Abbildungen. Kunstverlag Josef Fink, 39 Euro.