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Eindrucksvoll

Nick Brandt zeigt Bilder einer bedrohten Welt

Kultur / Lesedauer: 3 min

Düstere Aussichten bei der Fotoausstellung des britischen Fotografen in Ulm
Veröffentlicht:24.06.2016, 10:09

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Jede Falte ist zu sehen, jede Pore und jeder Lehmspritzer: Näher kann man einem Elefanten in freier Wildbahn kaum kommen als Nick Brandt . Der britische Fotograf, der grundsätzlich ohne Teleobjektiv arbeitet, hat das Tier 2007 im kenianischen Amboseli-Nationalpark aufgenommen. Wie ein einsamer Fels steht der Dickhäuter in der Steppe, den Rüssel ins Wasserloch getaucht.

Zwei Jahre später ist er tot. Umgebracht von Wilderern, die es auf das Elfenbein der Stoßzähne abgesehen hatten. Das berichtet der Bildtext in knappen Worten.

Die Aufnahme „Trinkender Elefant“ ist Teil einer Ausstellung im Stadthaus , sie zeigt Fotografien Brandts aus den Jahren 2000 bis 2013. Der in Kalifornien lebende Brite hat früher als Regisseur gearbeitet, er drehte für das Musikvideo zu Michael Jacksons „Earth Song“ in der afrikanischen Savanne. Das Interesse an Ostafrika ist geblieben; doch der Blick auf die Region hat sich gewandelt.

Ein gefährdeter Lebensraum

Zunächst ist Brandt fasziniert von der Schönheit der Großtiere, er konzentriert sich auf die Ästhetik eines in die Ferne schauenden Löwen oder eines Gepards auf der Jagd. Doch wer nicht nur als Tourist durch oberflächlich friedvolle Naturlandschaften streift, bekommt unumgänglich auch mit, dass dieser Lebensraum gefährdet ist: durch Zersiedelung, durch das Wachstum der afrikanischen Gesellschaften, durch den Klimawandel. Wie eine dunkle Ahnung legt sich Düsternis über viele Fotografien, die von einer Sepiatönung unterstrichen wird. In späteren Werken – die in der Ulmer Ausstellung noch nicht zu sehen sind – wird Brandt Bilder von Wildtieren etwa auf eine wilde Müllkippe stellen, und zwar an jener Stelle, an der die Aufnahmen vor einem Jahrzehnt in scheinbar noch unberührter Landschaft entstanden sind.

In „On This Earth, A Shadow Falls Across The Ravaged Land“ („Auf dieser Erde fällt ein Schatten über verwüstetes Land“) thematisiert Brandt den Schaden durch Wilderer. Weil die Stoßzähne von Elefanten und Nashörnern bei chinesischen Neureichen als Schönheits- oder Potenzmittelchen begehrt sind, hat sich die Wilderei zum Millionengeschäft entwickelt. Großwildjäger aus Europa oder Amerika, für die das Abschießen eines Wildtieres einen Kick darstellt, tun ein Übriges. So zeigt Brandt auf einem seiner wenigen Fotos, die nicht Tiere, sondern Menschen abbilden, Ranger im Amboseli-Nationalpark mit beschlagnahmten Stoßzähnen von 22 Elefanten, die Wilderer innerhalb von drei Jahren getötet hatten. Und für eine Reihe von drei Fotografien hat er die Trophäen von Großwildjägern in die Wildnis gestellt – den abgetrennten Kopf eines Wasserbüffels, eines Löwen, eines Kudu. Hier geht es nicht mehr um Ästhetik, hier ist schon ziemlich unverblümt der erhobene Zeigefinger des Umweltschützers zu spüren, der Brandt eben auch ist: Mit einer selbst gegründeten Stiftung kämpft der Fotograf für den Erhalt der afrikanischen Tierwelt, die „Big Life Foundation“ hat bis heute 350Wildhüter mit Fahrzeugen und Gerät ausgestattet.

Am 9. Oktober wird im Rahmen der Ausstellung der Grzimek-Film „Serengeti darf nicht sterben“ gezeigt. Die Dokumentation, in der es um die zunehmende Zerstörung des Lebensraums für Afrikas wilde Tiere geht, entstand 1959. Aus heutiger Sicht, so ahnt man nach dem Besuch der Ulmer Fotoausstellung, waren die Zustände damals paradiesisch.

„On This Earth, A Shadow Falls Across The Ravaged Land“ ist bis zum 23. Oktober im Stadthaus Ulm zu sehen. Der Eintritt ist frei.

www.stadthaus.ulm.de