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Etikette

Lesenswert: „Das Putin-Syndikat“ von Margareta Mommsen

Kultur / Lesedauer: 2 min

Politologin Margareta Mommsen zu Russland unter Putin
Veröffentlicht:17.11.2017, 19:38

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Die Münchner Politologin Margareta Mommsen hat ein informatives Buch über das Herrschaftssystem des Wladimir Putin geschrieben.

„Lupenreiner Demokrat“: Wenn es um Etiketten geht, die Putin und der Staatsform des heutigen Russland angeheftet werden, dann überwog lange das Modell, der Demokratie irgendein Adjektiv voranzustellen. Dmitri Medwedew, von Hause aus Rechtswissenschaftler und 2008 bis 2012 Präsident Russlands, hatte 2007 in Davos für eine „Demokratie ohne Adjektiv“ plädiert. Heute kommt die Beschreibung des Staatssystems ohne Adjektiv aus. Auch ohne das Substantiv „Demokratie“.

Die Schwierigkeiten bei der Suche nach einer geeigneten Begrifflichkeit verweist auf ein Problem der Politologie: Lässt sich die aktuelle Herrschaftsform Russlands noch mit traditionellen Begriffen beschreiben? Wie gewichtet man die Elemente von Parlamentarismus, Präsidialverfassung nach französischem Vorbild, Staatswirtschaft und Geheimdienst, die da zusammengepuzzelt sind? Oder handelt es sich gar um eine Herrschaft neuen Typs?

Margareta Mommsen beschreibt nicht das System, wie es ist, sondern wie es sich entwickelt hat. Aus dieser Perspektive erscheint die Staatsform nicht als festes Gebilde, sondern als Prozess, an dessen Anfang das Ende der Sowjetunion stand. Sie zeigt auf Elemente der Jelzin-Zeit, die überlebt haben, und auf Veränderungen, die Putin vollzogen hat. Sein Flankenwechsel von der Westorientierung hin zur Behauptung von Eigenständigkeit ist die auffälligste Verschiebung. Sein Konzept „Eurasien“ ist ein geradezu barockes Konglomerat von Narrativen, das auf die Sowjetzeit zurückgreift und weit darüber hinaus, aber bewusst die Revolution ausspart.

Wer darf mitspielen, wer nicht?

Wenn Mommsen auf Russlands politisches System zu sprechen kommt, bevorzugt sie ein Wort, das William Safire, Kolumnist der „New York Times“, im Jahr 2000 erfunden hat: Putinismus. Sie entwickelt es weiter zu dem Begriff „Putin-Syndikat“. So weist sie darauf hin, dass keine Herrschaft ein Ein-Personen-Stück ist. Wer zu dem Kreis der Mitspieler um die Macht dazugehört, in dem Putin die Rolle eines Moderators gibt, wer herausfällt, wer neu hineinkommt, all das bestimmt Wandel und Konstanz des Systems.

Mommsen ist hier auf 200 Textseiten eine konzentrierte, verständliche Darstellung gelungen, lesenswert auf jeder Seite. Wem das zuviel ist, der sollte sich wenigstens die siebenseitige Einleitung gönnen. Ein perspektivenreicheres Bild auf das Russland Putins ist auf so begrenztem Raum kaum zu entfalten.

Margareta Mommsen: Das Putin-Syndikat, C.H.Beck, 250 Seiten, 14,95 Euro