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Punkrockband

Im Interview: Anti-Flag

Kultur / Lesedauer: 4 min

„Demokratie ist keine Garantie für eine gute Regierung“, sagt Drummer Pat Thetic
Veröffentlicht:29.06.2016, 11:50

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Der Punkrockband Anti-Flag graut es vor der Präsidentschaftswahl im Herbst.

Das Southside 2016 ist nach wenigen Konzerten ins Wasser gefallen. Eine der wenigen Bands, die es vor dem Abbruch des Festivals auf die Bühne geschafft haben, waren die Punkrocker von Anti-Flag. Vor ihrem Auftritt am Freitagnachmittag hat Kara Ballarin mit dem Gründungsmitglied und Drummer Pat Thetic, der eigentlich Patrick Bollinger heißt, sprechen können.

Seit mehr als 20 Jahren spielt ihr mit Anti-Flag mit euren Songs gegen Missstände an. Kann Musik die Welt besser machen?

Nein, das kann sie nicht. Es sind die Menschen, die Musik machen, oder sich mit Musik umgeben, die etwas verändern. Es kommt nicht von ungefähr, dass jede Revolution auch ihre Musik, sozusagen ihren Soundtrack hat.

Eine große Veränderung kündigt sich seit heute an: Die Briten wollen raus aus der EU. Kannst du als jemand aus den Vereinigten Staaten von Amerika sagen, warum das mit den Vereinigten Staaten von Europa nicht zu klappen scheint?

Die Kulturen sind bedeutend anders in Europa , das war bei uns in den Staaten nicht so. Aber das Prinzip hinter solchen nationalistischen Entscheidungen ist immer gleich. Die Politiker nutzen Angst als Werkzeug für eine Veränderung. Und das ist nie gut. Es gibt immer solche Wellen, die über den Erdball rollen. Religiöser Extremismus auf der einen Seite stärkt zum Beispiel rechtes Gedankentum auf der anderen. Es gibt immer eine rechte Antwort auf Angst – zum Beispiel auf Angst vor Einwanderern.

Ein Phänomen, das sich nicht nur in Europa, sondern derzeit auch in den USA zeigt ...

... und was uns Angst macht: Vor uns liegt eine populistische Präsidentschaftswahl in den USA.

Euer aktuelles, zehntes Studioalbum heißt „American Spring“. Was wird das für ein amerikanischer Frühling werden nach der Wahl im Herbst?

Es wird in jedem Fall ein böser Frühling. Hillary Clinton ist innenpolitisch sozialer, aber außenpolitisch eine Kriegstreiberin. Und Trump ist ein Egoist, der überhaupt keine Ahnung hat von irgendwas oder irgendwem außer von sich selbst.

Auf dem Album gibt es ein Lied mit dem Titel „Brandenburg Gate“. Was bedeutet dieses Berliner Bauwerk für euch, dass ihr darüber ein Lied geschrieben habt?

Für uns steht das Brandenburger Tor für eine Zwischenwelt. Es gehörte früher zur russischen Seite, konnte aber von der anderen Seite gesehen werden. Es war gefangen zwischen dem Osten und dem Westen, also zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Für mich sind beide Konzepte gescheitert.

Gibt es eine bessere Staatsordnung als Demokratie?

Demokratie ist eine schlechte Idee, aber sie ist noch am nächsten dran, erfolgreich zu sein. Demokratie ist aber noch keine Garantie für eine gute Regierung. Das einzige, was uns vor der Tyrannei bewahren kann, ist eine Begrenzung von Macht.

Eine Begrenzung etwa, wie dass der Präsident von Amerika nur maximal acht Jahre regieren kann?

Genau. Denn die Beschissensten unter uns wollen die Leute unbegrenzt kontrollieren.

Wie kommt es, dass Bands wie Anti-Flag, Bad Religion und No Use For A Name seit Jahrzehnten gegen das Böse in der Welt anspielen? Wo sind die neuen, jungen politischen Punkrocker?

Wir sind ja aus den rechtskonservativen Zeiten Ende der 80er, Anfang der 90er entstanden. Heute gibt es eine ganze Welle neuer Bands, die gerade in Proberäumen in irgendwelchen Kellern spielten. Ich hätte zwar lieber schlechte Musik als eine gerechte Welt, aber diese Bands in den Kellern sind der Silberstreifen am Horizont.

Wenn alle Menschen auf der Welt in Frieden leben, es keinen Hunger und keine Ungerechtigkeit mehr gibt, hört ihr dann auf, Musik zu machen?

Wir sind Medien-Junkies. Was wir da sehen und hören, motiviert uns, laut zu werden. Deshalb schreiben wir neue Musik. Und deshalb werden wir wohl niemals aufhören, Musik zu machen ... und ganz besonders nicht heute.

Live: 30.6. CH-Solothurn, Wel-come Fest; 3.7. Flugplatz Roitzschjora With Full Force; 9.7. Straubenhardt, Happiness-Festival (ausverkauft). Infos zur Band unter www.anti-flag.com .