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Auswandererbiografie

Hollywood in Laupheim

Kultur / Lesedauer: 5 min

Zeitgenössische Künstler interpretieren das Leben des Filmpioniers Carl Laemmle. Eine vielseitige Ausstellung im Schloss Großlaupheim.
Veröffentlicht:17.01.2017, 18:03

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Zeitgenössische Künstler interpretieren das Leben des Filmpioniers Carl Laemmle. Eine vielseitige Ausstellung im Schloss Großlaupheim.

Carl Laemmle wäre am gestrigen Dienstag 150 Jahre alt geworden. Im oberschwäbischen Laup-heim 1867 geboren, gehört sein Leben zu den bemerkenswertesten Auswandererbiografien. Nahezu mittellos war er als 17-Jähriger in New York gelandet. Doch aus dem armen Immigranten wurde ein Hollywood-Pionier. Er gründete die Universal Studios und produzierte mehr als 9000 Filme, darunter Klassiker wie „Im Westen nichts Neues“ oder „Frankenstein“. In den 1930er-Jahren rettete Laemmle 300 deutschen Juden das Leben, indem er durch Bürgschaften ihre Flucht nach Amerika ermöglichte. Unter dem Titel „Carl Laemmle reloaded“ haben sich zeitgenössische Künstler erstmals mit seiner Person, seinem Schaffen und seiner Karriere auseinandergesetzt. Die Ergebnisse sind jetzt in einer Schau in Laupheim zu sehen.

Die große Gedächtnisausstellung zum 150. Geburtstag von Laemmle findet derzeit in Stuttgart statt. Da kann das kleine Laupheim nicht mithalten. Also galt es eine Alternative zu finden und so entstand die Idee zu fragen, wie zeitgenössische Kunst auf den Filmpionier von damals und das Hollywood von heute reagiert. 72Beiträge wurden auf die bundesweite Ausschreibung hin eingeschickt, von denen es wiederum 32 in die Ausstellung geschafft haben.

Auswahlkriterium war „eine gewisse Originalität“, wie Kurator Michael Niemetz erklärt. Entstanden ist eine vielseitige Ausstellung mit Arbeiten aus sämtlichen Genres der Kunst. Sie erzählen über vier Säle hinweg von Carl Laemmles Leben. Es geht los mit seiner Auswanderung nach Amerika und endet mit der Rettungsaktion für seine jüdischen Landsleute in Deutschland.

Eines steht fest: Ausnahmslos alle Künstler sind fasziniert von dem kleinen Mann aus der schwäbischen Provinz, der in den USA eine sagenhafte Karriere gemacht hat. Viele setzen sich auf humorvolle Weise mit seiner Person auseinander und kommen doch zu ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen.

Auf der Hand liegt natürlich das Porträt, von denen das verpixelte Schwarz-Weiß-Bild von Manfred G. Schwellies aus Ulm und die Acrylmalerei von Max P. Häring aus Giengen zu den beeindruckendsten Beispielen gehören. Vor allem Häring hat den aufrechten Charakter und die faszinierende Ausstrahlung des Helden sehr gut im Bild eingefangen.

Humorvolles zu „S’sch meglich!“

Witz blitzt auf, wenn beispielsweise Christian Greifendorf aus Ulm in einem Trommelkino aus dem „Spätzlesschwob“ – also der Presse, mit der die Teigwaren hergestellt werden – die amerikanische Flagge zaubert. Oder wenn der Münchner Künstler Ewald Wildtraut in seinen Collagen unter dem Motto „S’sch meglich!“ Motive aus Laemmles Heimat nach Hollywood verpflanzt. So wird etwa der berühmte Schriftzug auf dem Hügel in Los Angeles kurzerhand durch den von Laupheim ersetzt, während am Himmel der Helikopter kreist.

Kein Zufall ist auch die Horrorthematik, die Laemmle filmisch immer wieder aufgreift und die in Laupheim von einigen Künstlern vor allem in Zeichnung und Video umgesetzt wird. Die bekannte Dokumentarfilmerin Monika Funke Stern etwa hat unter dem Titel „Frankensteins Töchter“ einen gruseligen Clip gedreht, der sich mit dem Schönheitswahn der Filmindustrie und entsprechenden Eingriffen beschäftigt. Die Karlsruherin Maja Römer Fischer dagegen wurde durch den Vampir-Mythos zu expressiven Formen inspiriert. Sie schlagen sich in blutroten Zackengipfel wie Reißzähne nieder.

Andere Künstler widmen sich lieber dem Western. Das Duo Mark Hautmann und Patrick Nicolas zum Beispiel geht mit einer Installation auf das Duell beziehungsweise das Phänomen von Gut und Böse ein. Sich überlappende Bilder von nachgestellten Duellen werden in Endlosschleife abgespielt und auf die Wand projiziert. Dabei entstehen immer wieder neue Kampfsituationen, sodass sich mit der Zeit die gute von der bösen Seite nicht mehr unterscheiden lässt. Die beiden wurden am Dienstagabend bei der Eröffnung für ihren kreativen Beitrag mit einem Preis geehrt.

Ein weiteres Thema in der Ausstellung ist das Kino an sich. Manche Künstler greifen die Atmosphäre auf, andere nur einzelne Teile davon. So hat der Ulmer Marc Reiner Popcorn überdimensional vergrößert in Beton gegossen und anschließend vergoldet. Präsentiert wird das Objekt der Begierde auf einem Sockel. In Mode kam der Mais-Snack in den USA übrigens erst Anfang der 1930er-Jahre, also zu jener Zeit als Carl Laemmle mit seinen Universal Studios längst berühmt war.

Nachdenkliches zum Judenstern

Die Schau endet mit einer Bodeninstallation aus einer Aneinanderreihung von jüdischen Kippot. Der Titel „black.line.bridge“ weist auf die humanistische Haltung Laemmles gegenüber seinen deutsch-jüdischen Landsleuten hin, die er vor der Deportation gerettet hat. Auch Anne Zapf aus Weimar hat in ihren „Lebenslinien“-Zeichnungen diesen Aspekt herausgestellt, indem sie Dutzende von Papierschiffchen mit dem Judenstern auf dem Segel im Meer treiben lässt.

Den Namen Carl Laemmle kennen heute viele nicht mehr, dafür aber die Universal Studios. Die globale Maschinerie Hollywoods mit seinen Traumwelten beeinflusst bis heute unser Leben. Nicht immer im Guten, wie Funke Stern mit ihrem Horrorvideo zum weiblichen Körperkult beweist.

Die Ausstellung „Carl Laemmle reloaded“ im Schloss Großlaup-heim dauert bis 21. Mai. Öffnungszeiten: Samstag, Sonn- und Feiertage 13-17 Uhr. Weitere Infos unter: www.museum-laupheim.de . Zur Schau erscheint ein Katalog.