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Fastenzeit

Fas­ten im Tran­si­tiv

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Fas­ten im Tran­si­tiv
Veröffentlicht:26.02.2016, 08:00

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Noch immer ist Fastenzeit. In den letzten Jahren kam es bei dem Wort fasten zu einem erstaunlichen Wandel: "Wir haben uns entschieden, sieben Wochen Plastik zu fasten." Früher hätte man sich bei diesem Verstoß gegen die Grammatik an den Kopf gelangt, heute ist ein solcher Satz keine Seltenheit mehr.

Und es wird ja nicht nur Plastik gefastet, also der Gebrauch von nicht verrottendem Verpackungsmaterial vermieden. Stichproben quer durch die Medien im Internet beweisen: Wer sich zwischen Aschermittwoch und Ostern für den Verzicht auf liebe Gewohnheiten entschieden hat, fastet heute auch Pizza oder Schokolade, Sekt oder Wein. Landauf, landab schwärmt man vom Gewinn an Selbstwert beim Arbeitsfasten, Ärgerfasten, Ausgehfasten, Fernsehfasten, Computerfasten, Autofasten…

Was ist da passiert? Früher unterschied man schlicht zwischen transitiven und intransitiven Verben. Die heutige Sprachwissenschaft sieht das Problem zwar erheblich komplexer, aber in diesem Fall genügt auch ein Rückgriff auf die alte Definition. Etwas vereinfacht dargestellt, sind Verben transitiv, bei denen ein ergänzendes Objekt im Akkusativ stehen kann. Zum Beispiel: Peter trinkt (wen oder was?) den Wein oder Paula kocht (wen oder was?) das Mittagessen. Intransitive Verben hingegen können kein Objekt im Akkusativ als Ergänzung haben. Einschlägige Sätze sind: Er reist, er wartet oder er arbeitet. Da verbietet sich die Frage: wen oder was? Und zu dieser Sorte gehörte früher auch fasten. Ich faste, du fastest, er fastet. Basta.

Das hat sich nun geändert. Seit zwei Wochen fastet er Bier, so kündet heute stolz die Gattin vom Heldenmut ihres Angetrauten - zwar bislang nicht sanktioniert vom Duden, aber das wird schon noch werden. Was der Auslöser für diese neue Mode war, lässt sich nicht mehr sagen. Vielleicht kamen Werbetexter auf die Idee, vielleicht war es eine Analogbildung zu Wörtern wie rocken. Da hieß es früher auch nur Die Musik rockt, und heute rockt die Band den Saal. Nun lässt sich Rock sogar fasten - einfach Ton aus, und schon ist man Asket.

Noch eines: Wie gewöhnungsbedürftig dieser transitive Gebrauch von fasten doch ist, merkt man beim Passiv. Intransitive Verben können in der Regel nicht ins Passiv gesetzt werden. Wenn ich nun aber sagen kann: Ich faste Bier, dann muss auch die Umkehrfunktion gelten: Das Bier wird von mir gefastet. Man stellt sich schon die Meldung vor: Brauerei XY hat Absatzschwierigkeiten, weil zu viel von ihrem Bier gefastet wurde - also zu wenig getrunken. Oder wird es nur zu wenig getrunken, weil es nicht bekömmlich ist?

Dieses Fass machen wir hier jetzt lieber nicht auf.