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Eichhörnchen

Ern­te­dank mit Ratat­ös­kr

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Ern­te­dank mit Ratat­ös­kr
Veröffentlicht:26.09.2014, 08:00

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Wir kennen die Situation: Sagt der eine: "Keine Angst, da passiert schon nichts." Kontert der andere misstrauisch: "Wer weiß! Der Teufel ist ein Eichhörnchen." Eine Interpretation bietet sich an: Der Teufel, sprich: das Unangenehme oder gar das Unheil, kann sich auch in netten, kleinen, harmlosen Dingen verstecken - etwa in einem Eichhörnchen. Aber der Fall liegt wohl doch komplizierter.

Denn beim Eichhörnchen kann man sich täuschen. Das fängt schon beim Namen an: Weder hat er etwas mit der Eiche zu tun, noch mit dem Horn. Im ersten Teil steckt wohl die indogermanische Wurzel aig für flink, der zweite Teil ist urverwandt mit Eichhörnchen-Namen aus anderen Sprachen wie tschechisch veverka oder persisch varvarah und wurde später an Horn angelehnt.

Vor allem aber ist das Eichhörnchen nicht nur positiv belegt. Unsere abergläubischen Vorfahren sahen in ihm durchaus ein teuflisches Wesen. Das könnte mit der unheimlichen Schnelligkeit zu tun gehabt haben, aber auch mit dem roten Fell. Und es hatte schlimme Konsequenzen. So fing man in manchen Gegenden Eichhörnchen, warf sie ins Osterfeuer und verteilte die Asche danach auf dem Feld - zum Schutz vor Unwetter.

Als Orakeltier musste der kleine Nager obendrein herhalten. Huschte ein Eichhörnchen wie der Blitz über ein Hausdach, so drohte eine Feuersbrunst…

Auch in der nordischen Sagenwelt galt das Eichhörnchen nicht gerade als Sympathieträger. Da gab es die riesige Esche Yggdrasil, die für die alten Isländer das Weltall verkörperte. Auf der Baumspitze hockte ein Adler, an den Wurzeln nagte ein Drache, und zwischen ihnen raste ein Eichhörnchen namens Ratatöskr ständig hin und her und stiftete Unfrieden durch üble Nachrede.

Da loben wir uns doch den friedlichen Artgenossen bei Christian Morgenstern. In einem seiner unvergleichlichen "Galgenlieder" heißt es:Zwei Tannenwurzeln groß und alt

unterhalten sich im Wald.

Was droben in den Wipfeln rauscht,

das wird hier unten ausgetauscht.

Ein altes Eichhorn sitzt dabei

und strickt wohl Strümpfe für die zwei.

Die eine sagt: knig. Die andere sagt: knag.

Das ist genug für einen Tag.

Vielleicht ahnte das alte Eichhorn, dass ein harter Winter droht, und griff deswegen zum Strickzeug.