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Espressotasse

Der ewige Stenz

Kultur / Lesedauer: 5 min

Zum Tode des großen klugen Menschenfreundes und Satirikers Helmut Dietl
Veröffentlicht:30.03.2015, 20:14

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Der weiße Anzug. Die schwarzen Haare, und der Bart. Die Zigarette zwischen den nervösen Fingern. In der anderen Hand die Espressotasse oder ein Weißweinglas. Cool und lässig, von jener „etwas windigen Eleganz, die der jeweils herrschenden Mode immer einen Schritt vorausstolziert“, wie er seinen „ewigen Stenz“ „ Monaco Franze“ beschrieben hat, war auch Helmut Dietl selber und es sind diese Bilder, die einem als allererstes einfallen, wenn man Dietl ein paar Mal selber erlebt hat, und sich jetzt an ihn erinnert.

Unsicher, nicht eitel

„Ich denk’ immer, es ist ein großer Schmarren, was ich da mache“, hat er einmal gesagt. Da war er schon ein Großer, aber das war keine Eitelkeit, kein groß aufgetragenes Understatement, sondern es war eine Unsicherheit, ein nicht-eins-sein mit sich selbst, die auch im Erfolg immer spürbar blieb, und die ihn seinen Helden nahebrachte: Dem „Monaco Franze“, dem Tscharlie aus den „Münchner G'schichten“, dem Regisseur Uhu Zigeuner aus „Rossini“ und sogar dem scheinbar so selbstsicheren Klatschreporter Baby Schimmerlos.

„Wer reinkommt ist drin“, „A bisserl was geht immer“ – es sind solche Lebensweisheiten, die Dietls Werk unsterblich machen, und Dietl selbst zum wichtigsten deutschen Komödienregisseur der vergangenen 40Jahre.

Dietl, 1944 in Wiessee geboren, begann seine Karriere als Autor und Regisseur in den 1970er-Jahren, und auch später gab es in seiner Erscheinung und seinem Humor immer eine Nachwirkung dieser Zeit. Dietl war ein Anarchist, ein Lebenskünstler, ein sarkastischer Kritiker seiner Zeit, an der Grenze zum Zynismus. Aber genau darin war Dietl auch ein Menschenfreund, ein Romantiker und ein Wahrheitssucher.

Dietl war einer, dem man im Vergleich zu den geborenen Münchnern die Herkunft aus der Provinz anmerken konnte, aber weil in München fast alle „Zuageroaste“ sind, war er auch in allem ein typisches Münchner Gewächs. Ein Grantler, also ein Liebender. Dietl liebte seine Wahl-Heimatstadt München, der er in fast jedem seiner Filme ein Denkmal gesetzt hat. Dietl liebte die Frauen. Viermal war er verheiratet, dazu öfters prominent liiert, etwa mit Veronika Ferres.

All das fasst wohl keiner seiner Filme besser zusammen, als die Komödie „Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ von 1997, einer der größten deutschen Filmerfolge der 90er-Jahre. Der Film ist einfach nur albern und ein Liebesfilm, es ist aber auch eine geniale Satire auf die Münchner „Szene“, der Dietl selbst angehörte, und eine Farce über die Medien- und die Filmbranche.

Dietls Filme waren immer wieder solche Realkomödien und Mediensatiren. Ob eben „Rossini“, ob der bitterböse „Schtonk“ über die wahre Geschichte von den falschen Hitler-Tagebüchern, ob „Kir Royal“ in dem es natürlich um sehr real existierende Boulevardblätter ging oder „Der ganz normale Wahnsinn“ über Promi-Magazine oder „Late Show“ über die damals neuen TV-Formate von Thomas Gottschalk und Harald Schmidt, die passenderweise gleich selber mitspielten.

Das Absurde im Realen

„Humor hat eine aufklärerische Wirkung“ wusste er. Dietl hat bewiesen, dass Humor sehr viel mit Verstand zu tun hat. Der „deutsche Woody Allen “, wie man jetzt lesen konnte, war Helmut Dietl deswegen gerade eigentlich nicht. Dazu war er schon viel zu originell, aber auch viel zu konkret, zu nahe bei den Filmemachern und bei den kleinen Leuten, ihrem Publikum, die auch seines waren. Und die Umdrehung des Satz, dass Woody Allen nämlich der amerikanische Helmut Dietl ist, die ist schon so absurd, dass sie selbst aus einer Dietl-Komödie stammen könnte. Dietls Witz zeigte genau dieses Absurde im Realen.

In den achtziger und neunziger Jahren, da stand Dietl die Welt des deutschen Fernsehens und Kinos offen. Da schien alles zu Gold zu werden, was er anpackte, dabei war er vielleicht nur ganz eins mit seiner Zeit, nicht von morgen und schon gar nicht von gestern. Da konnte man ihn persönlich erleben, wenn man sich ins „Schuhmanns“ hineintraute oder in das „Romana Antica“, jenen Schwabinger Italiener, in dem damals in den 90ern wirklich jeden zweiten Abend irgendwann Dietl auftauchte, mit seinen Freunden Bernd Eichinger, Wolf Wondratschek und Patrick Süßkind, und ihren jeweiligen Gespielinnen.

Melancholie und Sarkasmus

Weil er so ganz nahe dran war am Leben, darum ist der Film „Rossini“ vielleicht die Quintessenz des Dietlschen Filmemachens. Hier treffen sich Melancholie und Sarkasmus und halten das Gleichgewicht. Das ist ihm danach nie mehr ganz so gut geglückt. Dietls letzte Filme hätte man bei jedem anderen gefeiert oder zumindest respektvoll aufgenommen, bei Dietl machten sie unglücklich. Vielleicht lag es einfach daran, dass diese Filme nicht mehr in München spielten, zu recht, weil es mit dem München Dietls und Eichingers, dem München der 70er, der ewigen Stenze, der Bussi-Bussi-Szene und des proletarischen Stadtteils Lehel, der Olympiade, des Drecks und der Neureichen einfach vorbei war.

Mit der Berliner Republik konnte sich Diel, trotz dem Versuch in Zettl nicht anfreunden. Denn der „Monaco Franze“ und Baby Schimmerlos, die leben hier nicht mehr.

Gerade deshalb, weil sie Wirklichkeit aus jeder Pore atmen, und inzwischen Dokumente vergangener Wirklichkeit geworden sind, sind Dietls Fernsehserien unüberboten. Hier findet dieser ewige Münchner das Traurige im Witzigen, das Einmalige im Alltäglichen.

Es gäbe schönere Gründe, sich wieder einmal seine Filme auf DVD anzugucken, aber vielleicht tröstet das zumindest ein bisschen über die Nachricht: Helmut Dietl ist tot.