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Plattenpanzer

Blatter im Plattenpanzer

Kultur / Lesedauer: 2 min

Sprachplauderei von Rolf Waldvogel
Veröffentlicht:28.05.2015, 17:19

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Für Freunde der bildlichen Rede war der gestrige Medien-sturm in Sachen Fifa ein wahres Fest. Lustvoll bedienten sich die Kommentatoren aus dem Fundus der Metaphorik, und dabei fiel wieder einmal auf, wie hoch doch der Anteil an biblischen Redensarten in unserer Sprache ist – ob die Sprecher und Schreiber sich dessen bewusst sind oder nicht. Blatter gibt wieder einmal das Unschuldslamm: Hier spielt die christliche Lamm-Symbolik herein, also der Vergleich mit dem schuldlos geopferten Heiland. Blatter wäscht wie gewohnt seine Hände in Unschuld: Diese Wendung geht auf jene Passage aus dem Passionsgeschehen des Neuen Testaments zurück, da Pilatus sich Wasser reichen lässt, um seine Unschuld am Tod Jesu zu demonstrieren. Allerdings findet sich dieses Bild auch schon im Psalm 26 des Alten Testaments: Ich wasche meine Hände mit Unschuld und halte mich, Herr, zu deinem Altar.

Damit nicht genug: Wie immer bleibt Blatter seinem Image als Wolf im Schafpelz treu – dieser Vergleich stammt aus dem Matthäus-Evangelium (7, 13). Danach soll man sich vor falschen Propheten hüten, die in Schafskleidern auftreten, aber nichts anderes sind als reißende Wölfe. Und gestern außerdem im Metaphern-Repertoire: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass Blatter ein Vergehen zugibt. Hier verstand man zwar, was gemeint war. Allerdings wurde das ursprüngliche Bild der Bibel stark verfremdet. Bei Matthäus (19, 24) steht: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Nebenbei bemerkt: Jesu Äußerung bezog sich wahrscheinlich nicht auf ein echtes Nadelöhr. In Jerusalem soll es vielmehr ein besonders enges Tor in der Stadtmauer namens Nadelöhr gegeben haben, durch das ein Kamel kaum passte.

Dass Joseph S. Blatter letztlich wieder einmal ungeschoren davonkommt, ist leider denkbar. Vielleicht liegt das – nomen est omen – in seinem Familiennamen begründet. Drei Interpretationen für Blatter bieten sich nach den Regeln der Onomastik an, wie man zur Namenskunde auch sagt: Erstens: Ein Vorfahr könnte die Blattern gehabt und Narben davongetragen haben. Wir hätten hier also einen typischen Übernamen. Zweitens: Blatters Ahnen waren Jäger. Blattzeit ist die Brunftzeit der Rehe, und das Gerät mit dem der Waidmann auf Bockpirsch das sehnsuchtsvolle Fiepen der Ricke nachahmt, heißt Blatter. Also auch ein Übername. Drittens: In Familiennamen wie Blatter, Blattner oder Blättner lebt der alte Beruf des Rüstungsschmieds weiter, der für die Ritter Plattenpanzer herstellte. Bei unserem Fifa-Joseph ergibt das durchaus einen Sinn: An ihm prallt alles ab.

Trost bieten allenfalls die Sprüche Salomons (16, 18): Hochmut kommt vor dem Fall.

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