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Mittelalter

Ausstellung zum Alltag der Juden im Mittelalter

Kultur / Lesedauer: 3 min

Ausstellung in Konstanz beleuchtet Alltag der Juden in der mittelalterlichen Stadt
Veröffentlicht:11.04.2017, 19:23

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Zu seinem 25-jährigen Jubiläum hat das Archäologische Landesmuseum (ALM) in Konstanz eine Sonderausstellung ausgerichtet, die eigentlich gar nicht ins Konzept passt. Zudem ist sie die teuerste in seiner Geschichte, dafür kann sie aber mit besonders kostbaren Exponaten zu einem Thema von allgemeiner Bedeutung aufwarten: „Zu Gast bei Juden – Leben in der mittelalterlichen Stadt“.

Keine Grabungen liegen der Ausstellung zugrunde, sondern zehn Jahre intensiver Forschung des Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz . Diese sei auf das ALM zugekommen, um die Ergebnisse der umfangreichen Recherche gemeinsam zu präsentieren. Die Ausstellung beleuchtet die Themenbereiche Aussehen (Kann man Juden anhand ihres Aussehens identifizieren?), Wirtschaft (Waren sie nur Geldverleiher?), Alltag (Positive Seiten und Konflikte), Wohnen und Religion und geht auch auf Verfolgung, Folter und Tod ein.

Perfekt integrierte Bürger

Wie Dorothea Weltecke , Professorin für die Geschichte der Religionen, erläuterte, zeigt die Ausstellung grundsätzlich die Perspektive der Juden auf ihre Welt und nicht einen Blick von außen. Dabei musste leider fast ausschließlich auf christliche Quellen zurückgegriffen werden, da sich nur ganz wenige jüdische erhalten haben. Bei der Erforschung des Alltags der Juden im Spätmittelalter im erweiterten Bodenseeraum stellten Weltecke und ihre Studenten mit Überraschung fest, wie multireligiös und multikulturell diese mittelalterliche Welt zwischen 1200 und 1450 war.

Die Juden lebten keineswegs in abgeschlossenen Ghettos, sondern kauften sich Häuser mitten unter den anderen, Äußeres und Raumaufteilung waren nicht von den christlichen Nachbarn zu unterscheiden. Die Nachbildung eines gotischen Zimmers aus einem jüdischen Haus in Zürich zeigt die gleichen Malereien, die gleiche Mode, das gleiche Interesse für Minnesänger, für Literatur: Das „jüdische Gesicht der gotischen Welt“ unterscheidet sich nur in den Wappen und bestimmten Symbolen vom christlichen. Obwohl im „Schwabenspiegel“ eine Kennzeichnung der Kleidung vorgeschrieben war, habe man sich im Bodenseeraum nicht daran gehalten. Juden hätten den Judenhut nicht zur Diskriminierung, sondern allenfalls aus Stolz getragen, als Zeichen für ihre Zuverlässigkeit bei Verträgen.

Dennoch störten Wellen der Gewalt das eigentlich friedliche Miteinander und im 15. Jahrhundert wurden die Juden aus den Städten vertrieben. Es war überhaupt eine sehr unruhige, gewaltbereite Zeit. Thronprätendenten bekämpften sich, Zünfte wandten sich gegen die Patrizier, Städte gegen andere Städte – das relativiert die Judenpogrome. Der deutschen Oberschicht jedenfalls nutzten die vernetzten Kontakte der Juden. Ein Problem ist, dass Quellen kaum den Alltag, sondern meist nur die Konflikte enthalten, so dass auch noch so intensive Recherchen lückenhaft bleiben.

Als Leihgaben für die Schau wurden aus dem Bodenseeraum stammende Exponate zusammengeführt, die heute von Budapest bis London verstreut sind. Da sind Feierabendziegel vom Grünen Turm in Ravensburg ebenso zu sehen wie einige wenige Alltagsgegenstände und zahlreiche Urkunden und Siegel, die auf jüdische Herkunft hinweisen. Glanzlichter sind hebräische Prachthandschriften, die in Konstanz oder in Nachbarstädten hergestellt wurden.

Die Ausstellung läuft bis 29.Oktober, Öffnungszeiten: Di.-So. 10-18 Uhr. Ein umfangreicher, reich bebilderter Begleitband zum Preis von 19,80 Euro dokumentiert und interpretiert die Forschungsergebnisse (Stadler-Verlag).

Weitere Infos unter:

www.konstanz.alm-bw.de