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20 Jahre Kunsthaus Bregenz

Kultur / Lesedauer: 5 min

20 Jahre Kunsthaus Bregenz – Architekt Peter Zumthor zeigt, was ihm lieb ist
Veröffentlicht:17.09.2017, 12:08

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Der Schweizer Architekt Peter Zumthor ist eine Inspirationsquelle für Baumeister und Designer auf der ganzen Welt. Wie kein anderer stimmt er seine Gebäude auf ihre Umgebung ab und versteht es durch sorgfältig ausgewählte Formen und Materialien Spannung zu erzeugen. Diese Kriterien spiegeln sich auch in einem seiner international bekanntesten Werke wider: dem Kunsthaus Bregenz (KUB). Für das Jubiläumsjahr zum 20-jährigen Bestehen des Hauses wurde Zumthor eingeladen. Der Pritzker-Preisträger entschloss sich, keine Ausstellung im gewöhnlichen Sinne einzurichten, sondern unter dem Titel „Dear to Me“ Denk-, Schau- und Hörkästen seiner künstlerischen Vorlieben und Inspirationen zu verwirklichen.

Das KUB ist ein besonderer Ort. Das quaderförmige Gebäude aus Glas und Beton wirkt von außen wie eine Lampe. „Es absorbiert das sich ständig ändernde Tageslicht und den Dunst des Sees. Es reflektiert Licht und Farbe ..., und zwar je nach Blickwinkel. Auf diese Weise spiegeln sich das Tageslicht und das Wetter in ihm wider.“ Mit diesen Worten hat Peter Zumthor einmal das Kunsthaus beschrieben. In der Tat ist der 74-jährige Architekt ein Magier des Lichts. Im ersten Obergeschoss kommt das Bauinnere diesmal besonders gut zur Geltung: seine Tageslichtdecke, der spiegelnde Terrazzo-Boden und die samtigen Betonwände.

Mitten im Saal steht eine Spieluhr mit einem Lochkartenband. Wer an ihr dreht, sieht die Musik kommen und gehen und hört auf diese ungewöhnliche Weise ein neues Stück der österreichischen Komponistin Olga Neuwirth . Die Töne schweben klimpernd im Raum – mal melodisch, mal nervtötend atonal. An den Wänden hängt eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien der Tessiner Fotografin Hélène Binet. Sie zeigen Pflasterungen von der Akropolis in Athen, die einst von dem griechischen Landschaftsarchitekten Dimitris Pikionis (1887-1968) gestaltet wurden. Manche sind aus der Nähe fotografiert, andere aus der Vogelperspektive. Manche zeigen ein Spiel aus Licht, Schatten und Struktur, andere erinnern an landwirtschaftlich genutzte Felder.

40 000 Bücher für die Lektüre

Alle drei Künstler schätzt Peter Zumthor. Ihre Entwürfe stehen für die Magie der Dinge und dienen dem Schweizer Architekten als Inspiration. Doch auch die Literatur und die „geistige Welt der angeregten Gespräche“ sind Dinge, die ihm lieb sind (also „Dear to Me“), wie er erzählt. Deswegen gibt es im zweiten Stock ein Großteil der Bibliothek des Antiquars Walter Lietha aus Chur, ein Freund von Zumthor, zu entdecken. Die schneckenförmig angelegten Regale präsentieren 40 000 Bücher, die künftig in Trin (Graubünden) ein neues Quartier bekommen und im KUB eine Zwischenstation einlegen. Da finden sich dann Werke von Günther Grass neben einem Buch zur Volkskunst aus Appenzell oder ein Bildband zu Orientteppichen neben einer zweibändigen Dalì-Biografie. Die Bibliothek bietet Platz für eigene Lektüre und öffentliche Lesungen mit Autoren wie Robert Walser oder Thomas Hürlimann und Schauspielern wie Alexander Khuon oder Martina Gedeck.

Was dem Architekten ebenfalls am Herzen liegt, sind Gärten. Sie sind für ihn nicht nur ein Sinnbild für Schönheit, sondern auch für die Veränderung übers Jahr, „für eine Langsamkeit, die man nicht sehen kann“. Einen poetischen Garten hat das Schweizer Künstlerpaar Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger auf Wunsch von Zumthor im obersten Geschoss geschaffen. Zarte Fantasiepflanzen baumeln als Mobile von der Decke, Äste und Schwämme wachsen empor, Sporen von Pilzen und Flechten erobern den Raum, Kreidezeichnungen von Pollen schmücken die Wände.

Diese bezaubernde Installation mit dem Namen „Lungenkraut“ besticht mit seiner Formenvielfalt aus künstlichen sowie natürlichen Materialien und Fundstücken. Sie ist der Luft gewidmet. Schon ein Atemhauch versetzt die fragilen Objekte in Bewegung. Zugleich ist ein Rauschen, Zirpen, Zischen und Zwitschern zu hören - man fühlt sich wie im Urwald. Steine aus dem Bregenzerwald bieten Platz zur Entspannung. Wer will kann einen Tee trinken.

Im Erdgeschoss dagegen hat Peter Zumthor selber gezaubert. Es wurde zu einer gemütlichen Lounge mit von ihm entworfenen Sesseln, Hockern und Beistelltischchen umgebaut. Geometrische Paneele an den Wänden dienen als Schalldämpfer und wirken gleichzeitig wie Farbfeldmalereien. Sogar ein Barbereich wurde eingerichtet. Im Zentrum des Saales steht ein Konzertflügel. Hier sollen nicht nur Musikveranstaltungen mit Jazz und Klassik stattfinden, sondern auch Zumthors Gespräche jeden Sonntagmorgen mit Gästen seiner Wahl.

Bauwerke mit Seele

Entstanden ist damit eine Ausstellung, die keine Ausstellung ist. Architekturfans kommen nur an einer Stelle auf ihre Kosten: Hinten in einer Ecke im Erdgeschoss ist auf zwei Monitoren ein Film zu sehen. Er zeigt Interviews mit Peter Zumthor und Archivmaterial zu seinem Werk. Einmal erklärt er, dass „jedes seiner Bauwerke einen emotionalen Kern, eine Seele hat“. Im KUB ist ihm dies zweifellos gelungen. Selbst heute nach 20 Jahren würde der 74-Jährige am Haus nichts ändern wollen. „Künstler und Gäste lieben das KUB, was will ich mehr“, sagt Zumthor sichtlich zufrieden.

„Peter Zumthor: Dear to Me“ dauert bis 7. Januar 2018. Insgesamt werden 160 Veranstaltungen geboten – von der Lesung über das Konzert bis zum Gespräch. Mehr unter: www.kunsthaus-bregenz.at

Der sogenannte Zumthor-Pass für

25 Euro (ermäßigt 22 Euro) berechtigt zur Teilnahme an allen Veranstaltungen.