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Streitfall

Streitfall E-Zigarette

Panorama / Lesedauer: 4 min

Ist der Tabak-Ersatz gefährlich oder kann er helfen, Raucher vor Krebs zu schützen?
Veröffentlicht:26.05.2015, 18:33

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Vor dem Weltnichtrauchertag am 31. Mai haben Mediziner und Forscher vor E-Zigaretten gewarnt und strengere gesetzliche Regelungen gefordert. Wissenschaftler streiten aber darüber, wie gefährlich die elektronischen Glimmstängel tatsächlich sind.

Befürworter strikter Kontrollen beim E-Zigaretten-Verkauf fürchten, Jugendliche könnten durch die Verdampfer ans Rauchen herangeführt werden. Gegner argumentieren: Wer E-Zigaretten zum Beispiel genauso hoch besteuert wie Tabakwaren, verschenkt eine große Chance. Die Plastikröhrchen könnten helfen, Raucher von echten Zigaretten zu entwöhnen und Tausende vor Krebs bewahren.

Raucher von E-Zigaretten gehen nach heutigem Wissensstand mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblich geringeres gesundheitliches Risiko ein als Raucher echter Tabakwaren. Denn E-Zigaretten verbrennen Tabak nicht. Erst dabei entstehen jene erwiesenermaßen giftigen Stoffe, die das Krebsrisiko bei Rauchern stark erhöhen. Welche Stoffe der Dampf der E-Zigaretten enthält und welche Folgen es hat, diese dauerhaft einzuatmen, ist aber umstritten. Weil die Produkte noch nicht lange auf dem Markt sind, fehlen Langzeitstudien. Außerdem gibt es viele Geräte und unterschiedliche darin verdampfte flüssige Stoffe (die sogenannten Liquids).

Feinste Teilchen in der Lunge

Ein Grund, Verdampfer und Liquids besser zu kontrollieren, sagt Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ): „Es kommen viele fehlerhafte Produkte in den Handel. Diese überhitzen zum Beispiel oft. Dabei entstehen krebserzeugende, giftige Stoffe.“ Die Weltgesundheitsorganisation WHO argumentiert ähnlich. Die Wirkungen der E-Zigaretten-Qualms seien unbekannt, er enthalte einen Cocktail chemischer Substanzen, der potenziell gefährlich sei – vor allem für Heranwachsende und Schwangere. Sie würden nicht nur Konsumenten von E-Zigaretten schaden, sondern auch Menschen in deren Umgebung. Außerdem entstehen mikroskopisch feine Teilchen, sogenannte Aerosole. Sie können sich in der menschlichen Lunge festsetzen und Entzündungen auslösen.

Experte: Warnungen sind unklug

DKFZ und andere führen all das ins Feld, um für strengere Regeln zu kämpfen. Sie fordern gesetzliche Vorgaben zur Produktsicherheit, ein Werbeverbot für E-Zigaretten und wollen Steuern auf die Produkte erheben – wie bei anderen Tabakwaren. Genau das halten Wissenschaftler wie der Genfer Professor Jean-François Etter aber für falsch. „In Deutschland warnen Mediziner und Vertreter des Gesundheitswesens exzessiv vor E-Zigaretten. Das ist unklug“, sagt der Schweizer, der seit Jahrzehnten zu E-Zigaretten forscht. Er vertritt die Haltung: Es ist besser, E-Zigaretten zu rauchen als echte Zigaretten. Selbstverständlich dürften E-Zigaretten nicht an Minderjährige abgegeben werden, auch Kampagnen, die gezielt um junge Konsumenten werben, seien fragwürdig. Doch hohe Steuern und übertriebene Mahnungen würden Raucher davon abhalten, zur E-Zigarette zu wechseln – und damit eine große Chance vertun. Das sieht auch Peter Hajek so. Der britische Professor für klinische Psychologie sagte in einem Interview: „E-Zigaretten könnten die Nikotinsucht ausrotten und einen wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit leisten.“ Etter und Hajek sehen eindeutige Belege dafür, dass die E-Zigarette durchaus bei der Raucherentwöhnung hilft.

Jugendliche schützen

Doch genau das bezweifelt DKFZ-Expertin Pötschke-Langer . Sie kennt beide Kollegen und schätzt sie als seriös ein – nur ihre Interpretation der aktuellen Studienlage teilt sie nicht. „Der Aspekt der Rauchentwöhnung ist ein frommer Wunsch weniger Experten. Nur 0,2 Prozent ehemaliger Raucher in Deutschland haben die Sucht mit der E-Zigarette besiegt. Überhaupt nutzen nur 0,6 Prozent der Raucher auch E-Zigaretten“, sagt sie. Nur wegen einer Minderheit, die eventuell von ihrer Sucht loskomme, dürfe man nicht auf Jugendschutz verzichten. Sie weiß 45medizinische Fachgesellschaften hinter sich. Auch der Münchner Lungenfacharzt Hubert Hautmann urteilte in einem Interview: „E-Zigaretten sind ein für Jugendliche attraktives Gerät.“. Fruchtige oder süße Aromen sollten verboten werden, die Liquids für E-Zigaretten zugesetzt werden. Die seien für junge Menschen verlockend.

Auch hier widersprechen Etter und seine Mitstreiter: Keine Studie zeige mit Sicherheit, dass E-Zigaretten auch Jugendliche zu Rauchern machen, die ohne die elektrischen Verdampfer nicht zur Zigarette greifen würden. „Menschen werden immer Tabak konsumieren. Alles andere ist eine Illusion. Also muss man Chancen wie die E-Zigarette nutzen, um den Konsum so wenig gesundheitsschädlich wie möglich zu machen“, sagt Etter.

In Deutschland gelten E-Zigaretten und ähnliche Geräte nicht als Tabakwaren. Damit dürfen sie derzeit auch an Kinder und Jugendliche verkauft werden, auch Tabaksteuer fällt für sie nicht an. Unter anderem in Nordrhein-Westfalen haben Behörden versucht, die E-Zigaretten wie etwa Nikotinpflaster zu behandeln und als medizinische Produkte zu klassifizieren. Damit dürften sie nur in Apotheken verkauft werden. Doch dieses Vorgehen hat zuletzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für unzulässig erklärt. Nach dem Willen von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) soll aber noch in diesem Jahr ein Gesetz verabschiedet werden, das den Verkauf von E-Zigaretten an Minderjährige verbietet. Bis 2016 will Deutschland außerdem eine EU-Richtlinie umsetzen. Diese begrenzt den Nikotinanteil in den flüssigen Stoffen, die E-Zigaretten verdampfen. Außerdem müssen Warnhinweise auf mögliche Gesundheitsgefahren hinweisen, auch bestimmte Werbeformen wären dann verboten.