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Erdbeben

Nepal am Abgrund

Panorama / Lesedauer: 5 min

Nach dem Erdbeben in Nepal steigen die Opferzahlen, doch viele Orte sind weiterhin von Hilfe abgeschnitten
Veröffentlicht:27.04.2015, 20:03

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Ravensburg/ Kathmandu - Bei dem schwersten Erdbeben in Nepal seit 80 Jahren sind seit Samstag mehr als 3900 Menschen ums leben gekommen, die meisten davon in Nepal. In Indien starben 72 Menschen, in China mindestens 20 Menschen. Die internationale Hilfe läuft an, doch die Retter haben Schwierigkeiten, in die zerstörten Regionen vorzudringen. Nepals Regierung spricht von mehr als 6800 Verletzten. In dem betroffenen Gebiet leben nach UN-Angaben 6,6 Millionen Menschen.

Was behindert die Hilfe?

Nepal ist eines der 20 ärmsten Länder der Welt. Viele Orte sind nur zu Fuß oder über Schlammpisten erreichbar. Zahlreiche Bergdörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten. Hilfsorganisationen berichten, dass Erdrutsche und Risse viele Straßen des bergigen Landes unpassierbar macht. Es gibt nur sechs staatliche Hubschrauber und 20 private. Drei der Hubschrauber wurden bei Rettungsaktionen am Mount Everest eingesetzt. Es sei nur eingeschränkt möglich, die benötigten Hilfsgüter über den zerstörten Flughafen in Nepals Hauptstadt Kathmandu einzufliegen, berichtete Ingo Radtke , Generalsekretär von Malteser International. Auch Hilfe auf dem Landweg ist schwierig: Von sieben Straßen zwischen Nepal und Indien sind nur zwei passierbar. Die einzige Straße nach China über den Zham-Pass ist durch einen Erdrutsch blockiert.

Wie geht es den Touristen?

Laut dem Deutschen Reiseverband ( DRV ) zog es 2013 rund 800000 Gäste aus aller Welt in das Land am Südrand des Himalaya. Der Anteil deutscher Urlauber ist mit etwa 20 000 Urlaubern verhältnismäßig gering. Laut DRV halten sich derzeit zwischen 700 und 800 Gäste von Reiseveranstaltern im Land auf, sie seien nach jetzigem Stand wohlauf. Eine genaue Zahl lasse sich schwer benennen, da es viele Einzelreisende gebe. Der Veranstalter Hauser aus München und der DAV Summit Club haben Reisegruppen im Land, die Reisenden seien aber unverletzt.

Das Basislager am höchsten Berg der Welt wurde von einer Lawine aus Staub und Schnee überrollt, es soll 18Tote gegeben haben. Diese Angaben seien relativ verlässlich, so Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein ( DAV ). Viele Bergsportler hätten Satellitentelefone, daher gebe es zuverlässige Informationen. Allerdings sollen noch bis zu 100 Bergsteiger oberhalb des auf 5000 Meter gelegenen Lagers am Berg festsitzen. Größtes Hindernis beim Aufstieg ist ein Eisfall. Dieser muss jedes Jahr neu mit Steighilfen präpariert werden, damit Bergsteiger ihn passieren können“, so Bucher. Doch diese Vorrichtungen seien komplett zerstört, die Bergsportler könnten nicht absteigen. Auf der tibetischen Seite des Berges blieb ein weiteres Basislager weitgehend unbeschädigt. Zwei Alpinisten der Sektion Neu-Ulm des DAV überlebten dort das Beben unverletzt. Das Ehepaar stammt aus Blaubeuren. Wie sie zurückkommen, ist noch unklar. Auch der Bergsteiger Ralf Dujmovits (53) aus Brühl in Baden und eine weitere Expedition der Füssenerin Alix von Melle wollten von dort auf den höchsten Berg der Erde. Beiden geht es gut. von Melle gab auf ihrer Webseite bekannt, sie werde ihren Aufstieg aus Respekt und Mitgefühl für die Toten und ihre Angehörigen abbrechen.

Welche Kritik an den Rettungsmaßnahmen gibt es?

Extrembergsteiger und Mount-Everest-Kenner Peter Habeler meint, man müsse bei der Rettung der Ärmsten Priorität einzuräumen. Viele einfache Nepalesen befänden sich in einer weit schlimmeren Notlage als die im Himalaya festsitzenden Bergsteiger, sagte er. „Die Agenturen, die Hubschrauberflüge durchführen, wissen, dass sie dafür Geld bekommen. Und sie wissen auch, dass sie nichts bekommen, wenn sie einfache Nepalesen ausfliegen, weil die Regierung kein Geld dafür hat.“ Auch Reinhold Messner sprach von einer „Zwei-Klassen-Rettung“. Er nannte es „zynisch“, dass man „um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80000 bis 100000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht“. Die Bergsteiger benötigten natürlich auch Hilfe, allerdings nicht in erster Linie. Am Mount Everest gebe es genügend Ärzte und Essen.

Wie wird die Hilfe koordiniert?

Bei Naturkatastrophen organisieren die Regierung eines Landes und die UN-Katastrophenhelfer von UNOCHA Treffen, bei denen Vertreter aller Organisationen zusammenkommen. Nach Angaben des Nepal-Referenten von Caritas International, von Peter Seidel, gab es direkt nach dem Beben eine solche Zusammenkunft in Nepals Innenministerium.

War das Land nicht vorbereitet?

Die Leiterin des UN-Programms zur Reduzierung von Katastrophenrisiken Margareta Wahlström, sagte am Montag, dass das arme Nepal durchaus versucht habe, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten vorzubereiten. „Man war sich überall im Land bewusst, dass ein Desaster dieses Ausmaßes bevorstand und dafür umgerüstete Krankenhäuser waren auch in der Lage, dem Beben zu widerstehen“, erklärte Wahlström.

Helfer aus der Region

Caritas international hat am Montag einen Helfer aus Freiburg nach Nepal geschickt, ein weitere aus aus Stuttgart soll heute folgen Auch zwei Helfer des Technischen Hilfswerkes aus Konstanz und Widdern bei Heilbronn fliegen in die nepalesische Hauptstadt Kathmandu. „Sie werden bei der Wasseraufbereitung helfen“, sagte eine Sprecherin. Ein Ärzteteam der Hilfsorganisation Humedica steckt auf dem Weg nach Nepal fest. Das Flugzeug der Helfer konnte am Montagmorgen nicht in Kathmandu landen, sagte ein Sprecher der Organisation in Kaufbeuren. Der Luftraum sei überfüllt gewesen.

Nun warte das siebenköpfige Team in Delhi darauf, Kathmandu erneut anzufliegen. Außerdem gibt es zahlreiche privat initiierte Hilfsprojekte für Nepal, die bereits seit Jahren in dem Entwicklungsland helfen. Unter anderem gibt es Initiativen in Biberach, Tuttlingen, Friedrichshafen, Laichingen und Sigmaringen.

Das Bündnis „Aktion Deutschland hilft“ vereint 23 Hilfsorganisationen. Spendenkonto: 102030, Bank für Sozialwirtschaft BLZ: 37020500, Spenden-Stichwort: Erdbeben Nepal, IBAN: DE62370205000000102030, BIC: BFSWDE33XXX

Weitere Spendenkonten:

schwaebische.de/nepalspenden