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E-Mobilität

Junge Münchner planen E-Auto mit Solarantrieb

Panorama / Lesedauer: 7 min

Drei junge Münchner wollen den Großen Konkurrenz machen und ein Elektromobil bauen, das mit Sonnenstrom fährt
Veröffentlicht:07.07.2017, 16:11

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Der Weg zu den selbst ernannten Auto-Revolutionären führt am Münchner Westfriedhof vorbei. Doch wer nun auf den Mittleren Ring fährt und plötzlich im Schatten von BMW-Welt, BMW-Museum und BMW-Vierzylinder steht, der ist schon zu weit. Denn zwischen diesem Triumvirat des bayerischen Automobilstolzes und den rund 40 000 Gräbern des Friedhofs gibt es eine schmale Straße namens Agnes-Pockels-Bogen, und die führt geradewegs zur Keimzelle der Revolution, wenn man so will.

Genauer gesagt ist es ein mehrstöckiger Glaskasten, an dessen Fassade der Schriftzug „Münchner Technologiezentrum“ prangt. Hier stellt die Stadt rund hundert jungen Start-up-Unternehmen Räume und Beratung zur Verfügung. Und hier sitzen auch die zwölf Mitarbeiter der Firma Sono Motors, die von nichts weniger träumen, als den Markt für Elektroautos zu revolutionieren.

„Hallo, ich bin Jona “, sagt Jona Christians zur Begrüßung, stellt seine Teetasse auf einen Start-up-gemäßen Tisch aus unbehandelten Holzbrettern und knipst ein strahlendes Lächeln an, das sich während des ganzen Gesprächs kaum mal verdunkelt. Der 23-Jährige sieht ein wenig aus wie der Fußballer André Schürrle – aber vielleicht denkt man das auch nur, weil sein Schulfreund und Mit-Gründer Laurin Hahn einem anderen Profi-Kicker fast aufs Haar gleicht, nämlich Mats Hummels.

Schürrle und Hummels, also Jona Christians und Laurin Hahn , haben gemeinsam mit ihrer früheren WG-Mitbewohnerin Navina Pernsteiner die Firma Sono Motors gegründet, deren Name lateinisch „ich töne“ bedeutet. Das passt einerseits gar nicht – schließlich baut die Firma Elektroautos, die ungleich weniger tönen als die Verbrennungsmotoren der Konkurrenz. Andererseits vermag Jona Christians durchaus zu tönen, wenn er über die großen Autokonzerne Sätze sagt wie: „Sicher sind sie im Vergleich zu uns Goliath – aber ein Goliath mit Gummifüßen.“ Oder: „Von der Größe sind wir anders aufgestellt, aber in puncto Innovation sind wir auf Augenhöhe.“

Alte Schulfreunde

Rückblick: Im Jahr 2012 besuchen Jona Christians und Laurin Hahn die zwölfte Klasse einer Waldorfschule in München. Das Abitur ist in Sichtweite, „und so haben wir uns überlegt, was wir nach der Schule machen“, erzählt Jona Christians. „Denn wir wollten beide keinen Nine-to-Five-Job.“ Obwohl die Schulfreunde so gar nicht dem Klischee des Autobastlers entsprechen – Jona Christians hat bis heute kein eigenes Fahrzeug – beschließen sie, es in diesem Bereich zu probieren. Ihr Plan schon damals: ein Elektroauto, dessen Batterie nicht nur an der Steckdose aufgeladen wird, sondern auch über Solarzellen auf der Karosserie. „Wir wollen Elektromobilität massentauglich machen“, sagt Jona Christians – noch so ein Satz aus der „Ich töne“-Rubrik. Wobei man bei diesem höflichen und unprätentiösen 23-Jährigen schon genau hinhören muss, denn sogar seine Verbalattacken gegen die Autoindustrie klingen, als ginge es um den Grillabend am Wochenende.

Vierzehn Tage nach dem Abitur treffen sich die zwei Teenager in der elterlichen Garage, nehmen dort einen gebrauchten Kleinwagen auseinander und bauen einen Elektromotor ein. Anleitung und Inspiration finden sie im Internet: „Da gibt’s praktisch zu jedem Thema ein Youtube-Tutorial“, sagt Jona Christians. Anfangs sei ihr Auto „ein Bastelprojekt“ gewesen; nebenher beginnen beide ein Studium – Maschinenbau und Informatik. Und sie gründen ihre erste Firma: Mit einer mobilen Smoothie-Bar fahren sie an den Wochenenden zu Festen und verkaufen Mixgetränke. „Da haben wir das nötige Geld verdient, damit wir unter der Woche am Auto herumbasteln konnten“, erzählt Jona Christians.

Inzwischen freilich mixen die Gründer keine Smoothies mehr, das Studium ist abgebrochen, und aus dem Bastelprojekt ist ein Start-up mit großen Zielen geworden. Den Anstoß zu dieser Entwicklung hat Navina Pernsteiner gegeben, die 2015 in der WG von Laurin Hahn lebte. Als sie von dessen „Bastelprojekt“ erfährt, stellt sie die Freunde vor die Frage, wo sie mit ihrem Elektroauto hinwollen. Nach ausgiebigen Debatten in der WG-Küche entwirft das Trio einen Plan: Sie gründen die Firma Sono Motors, drehen einen Film über den Sion, so wird das Auto getauft, und starten damit eine Crowdfunding-Kampagne im Internet. Auf diesem Weg haben die Jungunternehmer seither mehr als 400 000 Euro eingesammelt. Zwar haben nur rund ein Dutzend Personen den Sion fix vorbestellt. Doch zugleich gingen mehr als 1000 bezahlte Reservierungen für eine Probefahrt ein. Der nächste große Schritt ist nun die Fertigstellung des Prototyps, der zurzeit bei einem kleinen Autohersteller in Regensburg gebaut wird. Mit diesem Auto soll es in diesem Sommer auf eine deutschlandweite Tour gehen, bei der alle Crowdfunding-Unterstützer den Sion probefahren und vorbestellen können. Zudem sei man im Gespräch mit Investoren, sagt Jona Christians, der jedoch weder Namen noch Summen nennen will. Lieber spricht er über die Ziele seiner Firma: Schon 2019 wolle man die ersten Autos ausliefern. „Und unser Fernziel ist natürlich die Serienproduktion.“

Bleibt die Frage, was den Sion so besonders macht – und hier stechen vor allem zwei Aspekte ins Auge sowie ein Gimmick, wie man das neudeutsch nennt. Erstens sind da natürlich die Solarzellen auf Dach, Motorhaube, Heck und Seiten. Damit könne man die Batterie aufladen, sodass täglich 30 Kilometer zusätzliche Reichweite herausspringen – sofern das Auto acht Stunden in der Sonne gestanden hat. „Das ist ideal für Pendler“, sagt Jona Christians. „Die fahren morgens in die Arbeit und abends ist die Batterie wieder aufgeladen.“ Zweitens wirbt der Sion, den ein 68 PS starker Elektromotor bis auf 140 km/h beschleunigt, mit seinem Preis: Zwei Modelle mit einer Reichweite von 250 oder 120 Kilometern soll es geben – für 16 000 respektive 12 000 Euro. Zum Vergleich: Den BMW i3 gibt es ab 35 000 Euro, den E-Up! von VW für 27 000 Euro.

Aber – und das ist ein großes Aber: Bei den Sion-Preisen ist die Batterie nicht inbegriffen; sie muss zusätzlich gekauft oder gemietet werden. Dies sei einer von drei Gründen für den günstigen Preis, erklärt Jona Christians. Zweitens setze man vorwiegend auf lizenzfreie Teile von Zulieferern. Und drittens: „Wir halten das Auto so einfach wie möglich. Es gibt also keine beheizten Außenspiegel oder dergleichen.“ Dafür wartet der Sion mit jenem Gimmick auf, das in keinem der vielen Medienberichte fehlen darf: Im Wageninneren soll eine dünne Moosschicht hinter Plexiglas einmal quer durchs Auto verlaufen. Die Pflanzen filtern dem Hersteller zufolge die Luft, die von außen hineinströmt, und reinigen sie von Feinstaubpartikeln.

Mit Moos was los

Moos im Auto? Das klingt fast so aberwitzig wie der Plan zweier Schulfreunde, es mit VW, BMW und Tesla aufzunehmen. Und so gibt es nicht wenige Kritiker, die skeptisch auf die vermeintlich revolutionären Pläne reagieren – so wie Markus Lienkamp, der an der Technischen Universität München den Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik leitet. „Ich kenne das Konzept von Sono Motors und habe ihnen auch gesagt, dass ich davon nichts halte“, teilt der Experte für Elektromobilität mit. So gibt Lienkamp an, dass man mittels Solarzellen bloß eine Zusatzreichweite von sieben Kilometern erziele – sofern das Auto nicht ohnehin in der Garage stehe. Zudem setze der anvisierte Kampfpreis eine große Stückzahl bei der Produktion voraus, wofür es wiederum riesige Investitionen benötige.

Derweil gibt sich Jona Christians überzeugt von ihrer Idee: „Beim Thema Elektromobilität hat noch kein Hersteller die Nase vorn, da stehen alle am Anfang.“ Was ihn und seine Kollegen antreibe? Auf diese Frage tönt der 23-Jährige ein letztes Mal – wieder ganz ruhig und wieder mit einem Lächeln im Gesicht: „Bei mir ist es so, dass ich jeden Morgen aufstehe und mir denke: Es muss sich etwas ändern auf dieser Welt.“