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Germanwings-Angehörige attackieren Lufthansa

Panorama / Lesedauer: 3 min

Anwalt Elmar Giemulla fordert mehr Schmerzensgeld für Germanwings-Opfer
Veröffentlicht:21.07.2015, 18:32

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Keine persönliche Entschuldigung, ein viel zu niedriges Schmerzensgeld-Angebot: Die Angehörige von Opfern der Germanwings-Katatstrophe erheben schwere Vorwürfe gegen Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Julian Heißler hat mit Elmar Giemulla (Foto: PR) gesprochen. Der Jurist vertritt Opferfamilien aus Haltern am See.

„Sie waren für Ihre Kunden da, nicht für uns“, heißt es in einem offenen Brief, denn 32 Verwandte der Toten aus Haltern am See an Spohr geschrieben haben. Die Maschine der Lufthansa-Tochter war im März in den französischen Alpen abgestürzt, alle 150 Menschen Bord starben, darunter 16 Schüler aus Haltern und zwei ihrer Lehrerinnen. Nach jetzigem Ermittlungsstand ließ der Co-Pilot Andreas Lubitz das Flugzeug absichtlich abstürzen. Julian Heißler hat mit Elmar Giemulla (Foto: PR) gesprochen. Der Jurist vertritt Opferfamilien aus Haltern am See.

Was werfen Sie der Lufthansa vor?

Die Führung geht sehr unsensibel mit den Hinterbliebenen um. Das ist besonders erschreckend, da sie nach dem Unfall angekündigt hatte, alles zu tun, um die Situation der Angehörigen angemessen zu reflektieren. Zunächst haben die Betroffenen das Verhalten der Lufthansa auch als solidarisch aufgefasst, doch das schlug ins Gegenteil um als das Angebot für die Schmerzensgeldzahlung bei den Hinterbliebenen ankam.

Neben einer Soforthilfe in Höhe von 50 000 Euro will die Lufthansa pauschal 25 000 Euro Schmerzensgeld bezahlen und zusätzlich 10000 Euro für Eltern, Kinder oder Lebenspartner…

Das ist alles andere als angemessen. 10 000 Euro für den Verlust eines Kindes oder eines Lebenspartners reichen nicht aus. Außerdem ist der Empfängerkreis zu klein. Etwa Geschwister müssten sich trotz dieses schweren Schicksalsschlags ihr Leid erst ärztlich bescheinigen lassen. Das unterstellt diesen Menschen, dass sie aus finanztaktischen Gründen ihren Schmerz vortäuschen. Das hat natürlich zu einem Wutausbruch und großen Ärger bei den Hinterbliebenen geführt. Deshalb haben sie diesen emotionalen Brief an die Lufthansa geschrieben.

Was erwarten Sie von der Lufthansa?

Wir erwarten ein Angebot, das die Dimension dieser Katastrophe reflektiert. Natürlich lässt sich nicht mit einer Zahl definieren, was der Verlust eines Menschen bedeutet. Dennoch muss man es tun. Wir müssen darüber reden, was die richtige Zahl ist. Eins lässt sich mit Sicherheit schon sagen: 10 000 Euro sind zu wenig. Wir müssen uns im Bereich einer niedrigen sechsstelligen Zahl einigen. Es geht nicht um amerikanische Verhältnisse. Die Hinterbliebenen wollen sich nicht bereichern und sich auch nicht diesem Verdacht aussetzen lassen. Aber das derzeitige Angebot ist beleidigend.

Wie hat die Lufthansa reagiert?

Wir haben bislang noch nichts gehört. Ich hoffe, dass es eine Reaktion geben wird. Wenn wir uns nicht einigen können, müssen wir das weitere Vorgehen beraten. In Deutschland bleiben uns keine Möglichkeiten mehr, also müssten wir eine Klage im Ausland anstrengen. Spanien wäre eine Möglichkeit, aber auch die Vereinigten Staaten, da der Co-Pilot dort teilweise ausgebildet wurde. Wir prüfen das derzeit. Aber niemand will diesen steinigen Weg beschreiten. Solche Verfahren können bis zu zehn Jahren dauern. Das hilft den Angehörigen nicht dabei, die Katastrophe zu verarbeiten. Deshalb appelliere ich an die Lufthansa, hier ein Einsehen zu haben.

In Deutschland gibt es in Ihrem Fall keinen rechtlichen Anspruch auf Schmerzensgeld. Müssen Sie das Angebot nicht akzeptieren?

Das Recht ist in einer solchen Situation doch nur der geringste Standard, an den man sich halten sollte. Wenn jemand nicht zur Beerdigung seiner Mutter geht, weil er dazu rechtlich nicht verpflichtet ist, würden wir ihn dennoch verachten. Es geht hier nicht um rechtliche Vorgaben, sondern um Menschlichkeit und um die Reputation der Beteiligten. Da spielt die Behandlung der Hinterbliebenen natürlich eine sehr wichtige Rolle – vor allem für ein global agierendes Unternehmen wie die Lufthansa.