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Interview

Tatort-Kommissar: „Der Süden ist der Wahnsinn“

Panorama / Lesedauer: 6 min

Sebastian Bezzel über seinen letzten Bodensee-„Tatort“
Veröffentlicht:02.12.2016, 15:39

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Diesen Sonntag wird er zum letzten Mal laufen, der Bodensee-„Tatort“ aus Konstanz ( Eine Kritik lesen Sie hier ). Vierzehn Jahre lang spielte Eva Mattes die Kommissarin Klara Blum, nach zwei Jahren als Solo-Ermittlerin wurde ihr Sebastian Bezzel als Assistent Kai Perlmann an die Seite gestellt.

Katja Waizenegger hat mit Sebastian Bezzel über das Ende dieser „Tatort“-Reihe, seine Vorstellungen von einem guten Drehbuch und seine Begeisterung für die Bodenseelandschaft gesprochen.

Wie viel Bezzel steckt in Kai Perlmann?

Es ist wie bei jeder Rolle, dass ich selber was mitbringen muss. Und gerade bei Assistentenrollen ist das Futter nicht ganz so da. Da muss man sich sein Privatleben dann schon mal zurechtreimen, überlegen, was macht der wohl so privat, woher kommt er, wohin will er. Da sind dann Sachen dabei, die ich von mir entlehne, aber auch ganz viel ist reine Behauptung. Ich käme zum Beispiel schon gar nicht auf die Idee, Polizist zu werden. Aber nicht, weil ich Polizisten blöd finde. Ich wäre zu feige dafür.

Teilen Sie die konservative Einstellung Perlmanns?

Die hat sich in der Rolle so entwickelt als Gegenpol zu meiner Chefin Klara Blum. Ich empfinde mich aber auch als einen konservativen Menschen, allerdings nicht politisch gesehen. Wolfgang Niedecken von Bap hat mal gesagt: Ich bin eigentlich ein konservativer Mensch, weil ich manche Dinge bewahren möchte. Dieses Verständnis von konservativ möchte ich ein Stück weit zurückerobern.

Als der

Also, wenn man die Zeichen der Zeit gedeutet hat, nicht so ganz. Eva Mattes beispielsweise war an einem Punkt, an dem sie wieder mehr Zeit für andere Geschichten haben wollte. Das verstehe ich.

Die Quoten haben ja gestimmt.

Ja, haben sie. Ich denke, wir waren bei den Fernsehzuschauern gerne gesehen. Aber die Entscheidung lag nicht bei mir. Es hat nichts mit meinem Beruf zu tun, solche Entscheidungen zu treffen.

Wie ist ihr aktuelles Verhältnis zum SWR?

Alles ok so weit. Es gab Sachen, die mich gestört haben. Die habe ich dann auch angesprochen. Auch den SWR haben sicher andere Dinge gestört. So ist das, wenn man zusammenarbeitet.

Die Drehbücher zum Bodensee-„Tatort“ wurden immer wieder kritisiert. Was wünschen Sie sich von einem guten Drehbuch?

Ich finde, die letzten beiden Drehbücher waren noch einmal sehr gut. Aber vorher gab es auch Drehbücher, über die ich mich geärgert habe. Mit denen konnte keiner zufrieden sein. Es gab da zwei, drei, die waren zu schnell geschossen. Gut im Ansatz, aber dann nicht durchgehalten. Ein gutes Drehbuch muss sich entwickeln, braucht eine gewisse Reifezeit, ein konzentriertes Dranbleiben.

Werden manchmal vielleicht auch zu viele Themen in ein Drehbuch gepackt – das ganze Elend der Welt in eineinhalb Stunden?

Manchmal ist es natürlich einfacher, ein neues Fass aufzumachen als eine Geschichte konsequent in die Tiefe zu erzählen. Das bemängele ich auch als Zuschauer, und nicht nur beim „Tatort“. Ich frage mich des Öfteren, warum noch ein Handlungsstrang dazukommt, den ich jetzt nicht gebraucht hätte.

Trifft das auch auf „Wofür es sich zu leben lohnt“ zu ?

Nein, ich finde das Drehbuch von Aelrun Goette und Sathyan Ramesh hat etwas von einer Parabel. Weil es ja unser letzter „Tatort“ ist, tauchen wir noch einmal tief ein in die Schlechtigkeit der Welt und wie die Welt mit dieser umgeht. Das finde ich ganz ok.

Im letzten Bodensee-„Tatort“ spielen Stars wie Hanna Schygulla, Matthias Habich und Julia Jäger mit. Ein Abschied mit Pomp.

Ja. Was ich sehr genossen habe waren die drei, vier intensiven Szenen mit Julia Jäger. Sie ist eine großartige Schauspielerin. Für solche Szenen liebe ich meinen Beruf. Das Lustige war, dass auch einer wie Roland Koch, der ja immerhin am Wiener Burgtheater spielt und selbst ein Star ist, sich kneifen musste angesichts dieser illustren Runde. Ich finde, es war ein schönes Geschenk vom SWR an Eva Mattes, ihr noch einmal mit diesen Kollegen eine Bühne zu bereiten.

„Tatort“-Kommissar zu sein ist ja so was wie ein Ritterschlag im deutschen Fernsehen. Kam der für Sie vielleicht ein bisschen zu früh?

Kann sein. Aber „Tatort“-Kommissar zu sein ist nicht das einzig Seligmachende.

Wird der „Tatort“ überbewertet?

Mittlerweile schon. „Tatort“-Kommissar zu sein bietet eine große Sicherheit. Und es ist natürlich schön, so viele Zuschauer zu haben. Dennoch glaube ich, dass da ein bisschen viel Aufhebens darum gemacht wird. Es gibt auch andere tolle Fernsehformate. Als ich angefangen habe mit dem „Tatort“, war’s noch nicht so kultig. Ja, vielleicht kam es für mich ein bisschen zu früh. Vielleicht hätte ich später gestalterisch mehr eingreifen können.

Werden Sie den

Da könnt Ihr euch alle sicher sein am Bodensee! Ich sehe es als herben Verlust in meinem Leben, künftig nicht mehr zwei Mal im Jahr quasi vorgebucht dorthin zu reisen. Ich wohne gerne in Hamburg, mag auch Ostsee und Nordsee. Aber der Süden ist der Wahnsinn. Das Allgäu kannte ich nur vom Durchfahren, bis ich vor drei Jahren dort gedreht habe. Gewohnt haben wir in Kisslegg. In solchen Gegenden zu drehen ist ein Teil meines Berufes, den ich sehr liebe. Ich habe aber auch schon im November zehn Nächte am Stück unter einer Berliner Autobahnunterführung verbracht.

Zur Person: Sebastian Bezzel wuchs in Garmisch-Partenkirchen auf. Seine Schauspielausbildung absolvierte er an der Bayerischen Theaterakademie August Everding. Der 45-Jährige war zunächst vor allem an Theatern tätig. Seit 2004 verkörpert er den Hauptkommissar Kai Perlmann im Bodensee-„Tatort“. Trotz großer Beliebtheit verkündete der federführende SWR vor zwei Jahren das Aus für den „Tatort“ aus Konstanz. Bezzel spielt auch den Polizisten Franz Eberhofer in den Kinoverfilmungen der Bücher von Rita Falk. Er lebt in Hamburg mit seiner Frau, der Schauspielerin Johanna Christine Gehlen. Mit ihr hat er zwei Kinder.